Der Mensch kann es nicht lassen – steht die Demokratie selbst auch auf noch so tönernen Füßen, wenn etwas Pflicht ist, dann ist es eine Prunkentfaltung wie zu Zeiten von Väterchen Zar. Was auch immer sonst im Argen liegen mag – Feierlichkeiten sind bei Inaugurationszeremonien das A und O und so war es auch am 07.05.2012 um Punkt zwölf nach Moskauer Zeit, als die Feierlichkeiten zu Ehren Putins ihren Lauf nahmen.
Ablauf
Es herrscht eine Totenstille, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte, bis das Orchester einsetzt und beginnt, feierliche Musik zu spielen.
Ein Moderator kündigt an, dass die Inaugurationszeremonie für den Präsidenten Vladimir Putin begänne und die Standarde der Russischen Föderation hereingetragen wird.
Gesagt, getan – zu den Tönen des Militärmarsches „Zur Ehre von Mütterchen Russland“ tragen junge Männer in historischer Paradeuniform und im Paradeschritt Flagge und Standarte durch die drei Ordenssäle des Kreml: Den Georgs-, den Alexander- und den Andreassaal.
Erneut ertönt die Stimme des Moderators, um die Verfassung und die Staatsinsignien hereinzutragen. Daraufhin marschieren zwei weitere Männer mit dem Verfassungsbuch – das nur zu diesem Zweck aus dem Kreml-Museum entnommen wird – und der mehrgliedrigen Halskette durch die drei Säle. Feierlich legen sie Buch und Kette auf die Ablagen links und rechts des Rednerpults ab und treten in den Hintergrund.

Abbildung 3: Soldaten in Paradeuniform mit Verfassung und Insignien – Bild von Kremlin.ru, via Wikimedia Commons
Statt dessen treten nacheinander die Chefin des Oberhauses, der Chef des Unterhauses und der Hauptrichter vom obersten Gerichtshof auf die Empore, wo sie nebeneinander stehen bleiben.
Im Saal herrscht Tiefschweigen.
Parallel dazu verlässt der vorige Präsident im Konvoi den Kreml und macht die traditionelle Umfahrt um das Gemäuer, um sich von den Soldaten der Leibwache auf dem Kreml-Hof die Ehre erweisen zu lassen.
Sie spielen für ihn einen Marsch und halten eine kleine Parade ab.
Der scheidende Präsident begrüßt sie und bedankt sich für ihre ehrenvollen Dienste. Danach steigt er die kleine rote Treppe empor und betritt durch den Weißen Korridor wie durch die Hintertür den Kreml.
Putin verlässt das Regierungsgebäude und lässt sich in einem Konvoi aus Ladas und Polizisten auf Motorrädern mit Blaulicht zum Kreml fahren. Dabei folgt er dem traditionell bei dieser Gelegenheit befahrenen Weg den Arbat runter, über den Boulevardring an der Erretterkirche vorbei und fährt durch das Haupttor in den Kreml ein.
Dieses wird nur aus diesem Anlass geöffnet. Der Konvoi umrundet den Kreml von Innen, ehe Putin aussteigt.
Er wird vom Kommandanten des Heeres als „Kamerad gewählter Präsident“ begrüßt und betritt den Kreml. Innerhalb einer Minute durchschreitet er auf einem roten Teppich völlig alleine das ganze Gebäude, wobei ihm alle fünf Meter zwei Soldaten das Gewehr präsentieren.
Nach einem Tusch tritt erneut Stille ein und der Moderator kündigt den scheidenden Präsidenten an.
Medwedew ersteigt die Empore und schüttelt den Vertretern der Kammern und des Gerichts die Hände.
In dem Moment, in dem die Kreml-Uhr zwölf schlägt, öffnen sich die Flügeltüren zu den letzten drei Kreml-Sälen für Putin. Zu Applaus und einem Militärmarsch schreitet der namentlich angekündigte Präsident zur Empore.
Erneut kündigt der Moderator Medwedew an – dieser hält eine kurze Rede über die Rolle des Präsidenten und die Beständigkeit des politischen Kurses, die mit Putins Wiederwahl gesichert wurde. Außerdem gibt er Rechenschaft über seine Amtszeit ab. Schließlich beglückwünscht er Putin zur Wahl und wünscht ihm Erfolg im Amt, ehe er zurücktritt.
Der Oberste Richter beginnt mit der Vereidigung und ruft Putin auf, den Eid auf die Verfassung zu leisten. Putin kommt dem nach, indem er die Hand auf die Verfassung legt und die dreiunddreißig Worte spricht, die den Eid ergeben.
Damit hat er offiziell das Amt angetreten und die Hymne Russlands ertönt aus den Kehlen von Chor und Gästen, untermalt vom Orchester.
Auf dem Kreml wird die Flagge zusammen mit der Präsidentenstandarte gehisst, womit für alle sichtbar ein neuer Präsident im Amt ist.
Nun hält Putin seine Inaugurationsrede. Es sei seine Pflicht, dem Volke zu dienen, mit dem er schon so viel durchgemacht hat und dem er sich weiterhin verpflichtet fühlt. Er lobt die Amtszeit seines Vorgängers und dessen zahlreiche Modernisierungsansätze. Außerdem will er die Demokratisierung Russlands vorantreiben und beruft sich auf die kulturellen Errungenschaften Russlands, auf denen man bauen soll. Seine Rede ist recht kurz.
Während der Chor erneut zu singen beginnt, schreitet Putin händeschüttelnd aus den Sälen nach draußen, wo ihm zu Ehren 31 Kanonen abgefeuert werden.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit übergibt man Putin das legendäre „Atomköfferchen“ – wohl das Passwort für die Atomraketen Russlands.
Gemeinsam nehmen Putin und Medwedew eine kleine Militärparade vor dem Kreml ab. Dieses Mal ist es Putin, den sie mit Hurrarufen begrüßen, nachdem er seine Ansprache gehalten hat.
Mit der Parade ist die Inauguration offiziell beendet und sämtliche Glocken Moskaus läuten.
Gäste
Im Andreassaal halten sich die Träger des Andreasordens auf ebenso wie hohe geistige Würdenträger der größten Religionsgemeinschaften Russlands.
Auch in den anderen Ordenssälen halten sich Träger der jeweiligen Orden auf, außerdem wichtige Politiker sowie Freunde und Angehörige sowohl von Medwedew als auch von Putin.
Persönlicher Eindruck
Es war sehr schön und bewegend, die Zeremonie im Fernsehen mitanzusehen. Obwohl mir die ganze Zeit bewusst war, dass es sich zum größten Teil um Blendwerk und leere Prachtentfaltung handelte, konnte ich nicht umhin, jede Einzelheit aufmerksam zu betrachten und jedem gesprochenen Wort zu lauschen.
Außerdem ist das für die meisten Normalsterblichen die einzige Möglichkeit, einen Blick auf die Räumlichkeiten des Kremls zu erhaschen – und eine solche Gelegenheit darf nicht ungenutzt verstreichen.
Nun ihr!
Gibt es in euren Welten ähnliche Veranstaltungen, seien es Krönungszeremonien oder Amtsnahmen demokratisch gewählter Herrscher?
Habt ihr vielleicht ebenfalls die russische Inauguration angeschaut? Oder die kurze Zeit später stattfindende französische Zeremonie?
Ich habe bisher keine Inauguration in meiner Welt. Obwohl es in einem Romanprojekt eventuell zu einer Szene kommen könnte, in der ein junger König den Thron besteigt. Wie genau das ablaufen wird, weiß ich noch nicht – danke für die tolle Fallstudie, die hilft mir da total weiter :-).
Freut mich, wenn sie dir weiterhilft! Ich würde dir auch empfehlen, Inaugurationen und Krönungen genau zu diesem Zweck immer mal im Fernsehen mitzuverfolgen. Das hilft ungemein!
Thronantritte habe ich in meiner Atlatnisgeschichte, aber noch nicht ausgeschrieben – bei Hewa bin ich mir unsicher.
Werde in Zukunft bei der Wahl meines Fernsehprogramms drauf achten :-)