Weltenbauartikel: Glaubenswechsel

Heinrich dem Vierten war Paris eine Messe wert und Chlodwig hoffte, Christus würde ihm den Sieg bringen. Konversionen und Konvertiten gibt es in Geschichte der Welt, seit es Religionen gibt. Warum sollte man die Geschichtsschreibung in der eigenen Welt nicht auch mit den Glaubenswechseln der Großen lebendiger gestalten?

Motive für einen Übertritt

Im idealen Fall erfolgt ein Glaubensübertritt aus Überzeugung heraus – man begegnet den Inhalten des neuen Glaubens und wird so von ihm überzeugt, dass man zu ihm übertreten will. Besonders zu Zeiten des frühen Christentums war die neue Religion für die Armen, Verzweifelten und vom römischen Gesellschaftssystem Benachteilten sehr reizvoll, da es versprach, dass die Letzten im Leben nach dem Tode die Ersten sein würden. Besonders Sklaven und römische Frauen wurden von der Idee angezogen, dass all ihre Leiden eine Prüfung darstellten, die sie durchmachen mussten um sich dem neuen Gott als würdig zu erweisen. Das Christentum gab ihnen so die Kraft, ihren harten Alltag zu überstehen. Auch heute noch kommt es vor, dass Menschen nach einschneidenden Erlebnissen wie Nahtoderfahrungen oder schrecklichen Unfällen das Gefühl haben, eine Gottheit hätte sie errettet. Oftmals danken sie, indem sie zum Glauben dieser Gottheit übertreten.

Wenn jedoch Politiker und Herrscher ihren Glauben wechseln, hat das meist eher machtpolitische Gründe: So konnte der Glaube, dem man anhing, darüber entscheiden, in welche Allianz man aufgenommen wurde und in welche nicht.
Chlodwig, Anhänger des Arianismus und ein fränkischer Kleinkönig unter Vielen, wurde nicht nur durch die Fülle seiner Ländereien, sondern auch dank seines arianischen Glaubens zu einem attraktiven Bündnispartner für den damaligen Mächtigen Theoderich. Seine künftige Frau Chrodhild jedoch war katholisch. Angeblich versuchte sie zwar, ihn zu bekehren und die Kinder katholisch taufen zu lassen, dies schlug jedoch fehl, da die Taufe meist mit der Erkrankung der Täuflinge zusammenfiel und der Erstgeborene sogar starb.

Für Chlodwig gab es keinen machtpolitischen Anreiz, den Glauben zu wechseln. Ihm war allerdings wohl nicht bewusst, welche Folge eine Taufe spirituell gesehen haben kann – nämlich, dass die Bindung an den christlichen Gott die Bindung an andere Götter ausschloss. Für den in seiner Zeit verhafteten König war der christliche Gott nichts weiter als ein zusätzlicher Segensspender, so wie es im Frühmittelalter und unter den Römern gebräuchlich war, möglichst vielen Gottheiten zu huldigen, sollte eine versagen. Außerdem kannten auch die Germanen eine Form der Wasserweihe, sodass Chlodwig das Grundprinzip einer Taufe nichts Neues war.

An einen Übertritt war jedoch nicht zu denken, nicht zuletzt weil der König durch die mythische Tradition und die fränkische Überlieferung legitimiert war – ein Übertritt hätte ihm hier seinen Herrschaftsanspruch kosten können!
Der Bischof von Tours nennt als Dreh- und Angelpunkt des Überzeugungswechsels des Königs „die Alemannenschlacht“, die allerdings weder eindeutig datiert noch geografisch eingeordnet werden kann, da für die Chronisten einige Generationen später das mythische Erlebnis stärker im Vordergrund stand, als die empirische Schilderung der Schlachtenfolge. Anhand der Geburtsjahre von Chlodwigs Kindern nimmt man einen Zeitraum zwischen 496 und 497 an.
Wotan, eine der Hauptgottheiten der damaligen Germanen, besaß den Ruf, seinen ehemaligen Lieblingen die Gunst zu entziehen und sie in der Schlacht zu benachteiligen. Hätte Chlodwig jedoch in der Schlacht versagt, hätte ihm dies seinen Thron kosten können. In diesem Bewusstsein war es nur logisch, dass er sich an den Gott wandte, der ihm als verlässlich und allmächtig angepriesen wurde.

Da Chlodwig jedoch nicht wusste, ob der Christengott für Erfolge im Krieg zuständig war, machte er ihm nach Art germanischer Anbetung ein Angebot – wenn der Gott, den die Königin verehrt, ihm helfe, so wäre er danach dessen treuer Gefolgsmann. Eine solche Formulierung entsprach der damaligen religiösen Weltsicht. Nach dem Sieg in der Schlacht musste der König sein Versprechen, sich taufen zu lassen, einhalten. Nach seinem Verständnis konnte er jedoch den Glauben jederzeit fallen lassen, sollte er das Gefühl haben, der Christengott hätte ihn im Stich gelassen.

Allerdings ließ sich der König Zeit damit, sein Versprechen einzulösen – es hätte ihn in Legitimationsnöte gebracht. Er war ein Kriegerkönig und als solcher die Personifizierung der Macht für sein kriegerisches Gefolge – wechselte er den Glauben, so konnte seine vollständige Streitmacht mit verheerenden Folgen von ihm abfallen.

Außerdem bedeutete ein Glaubenswechsel auch den Verzicht auf die Chlodwig zugeschriebene myhtische Abstammung. Damit verbunden war, dass Chlodwig nicht mehr mit der Hilfe seiner Ahnen rechnen konnte. Als dem König bewusst wurde, dass sein Übertritt so weitreichende gesellschaftliche Folgen haben würde, musste ihm daran gelegen sein, so viele Untertanen und Soldaten auf seine Seite zu bekommen, wie es ihm nur möglich war. Anders hätte er seine Macht unmöglich aufrecht erhalten können.
Politisch gesehen konnte Chlodwig jedoch zahlreiche Vorteile erringen – er wurde nicht länger durch seinen arianischen Schwager bevormundet, da er einer anderen Religion angehörte. Somit konnte er ohne Rücksichtnahme auf diesen seine Feldzüge planen.

Dafür hatte er jedoch die zunehmend mächtigeren Bischöfe der gallischen Provinzen sowie die teils bereits katholische Bevölkerung auf seiner Seite.

Somit hatte er bei einer Expansion seines Reiches kaum noch mit innerem Widerstand zu rechnen und konnte seinen Einflussbereich weitaus besser vergrößern, als er es als Anhänger germanischer Kulte oder als Anhänger des Arianismus gekonnt hätte.

Eine ebenfalls sehr malerische Geschichte ist die Abfolge der Glaubenswechsel seitens Heinrichs IV von Frankreich. Der protestantisch erzogene Königssohn musste 1562 in Paris bleiben und wurde dort erstmalig zu einem Übertritt zum Katholizismus gedrängt. Im gleichen Jahr starb jedoch sein Vater und Heinrich wurde zum Herzog von Vendôme. Seine Mutter holte ihn an ihren Hof zurück – und ließ ihn im calvinistischen Glauben unterrichten.
Nach der Bartholomäusnacht am 24.August 1572 war der Übertritt zum Katholizismus die einzige Möglichkeit für den König von Navarra, sein Leben zu retten. Danach blieb er 39 Monate lang Staatsgefangener im Louvre. Kaum dass er es schaffte, aus der Gefangenschaft zu fliehen, legte er den Glauben wieder ab.
Nach dem Krieg der drei Heinriche und dem Bündnis zwischen Valois mit Heinrich von Navarra machte Valois Heinrich zu seinem Erben – allerdings unter der Bedingung, dass Dieser zum Katholizismus konvertiere. Somit konvertierte Heinrich das letzte Mal am 25. Juli 1593.
Zusammengefasst hatte er für seine bewusst im Erwachsenenalter vollzogenen Religionswechsel die Motive, am Leben zu bleiben und König von Frankreich werden zu können.

Wichtig ist hier der Unterschied zwischen der Konversion von Chlodwig von Heidentum zum Christentum und dem Pendeln Heinrichs IV zwischen zwei Richtungen der selben Religion.

Weitere Motive für einen Glaubenswechsel könnten sein, dass ein Herrscher dies zur Bedingung macht, um die Hand seiner Tochter zu vergeben oder um ein bestimmtes Bündnis einzugehen.

Prozedere

Je nach Religion und Zeitalter kann der Vorgang der Konversion selbst entweder sehr einfach oder unfassbar umständlich gestaltet sein. Ob es jedoch einfach oder kompliziert abläuft, hängt nicht nur von der jeweiligen Religion ab – Übertritte können sich im Laufe der Zeiten innerhalb ein- und derselben Religion völlig unterschiedlich gestalten, ebenso wie es auch in der heutigen Zeit noch innerhalb eines Glaubens regionale Unterschiede geben kann.
Denken wir an den vorigen Teil des Weltenbauartikels, so wäre bereits ein wichtiger Unterschied zwischen der Aufnahme von Chlodwig und Heinrich in die katholische Kirche festzustellen. Unter Chlodwig war es noch Pflicht, dass ein Taufbewerber mehrere Monate lang auf seine Taufe warten musste und in dieser Zeit vom Sakrament ausgeschlossen war. Er befand sich in einem Zustand des sogenannten „Katechumenats“, einer Wartezeit, in der er sich mit den Lehren der Kirche vertraut machen musste und sein Gewissen zu prüfen hatte.
Der letzte Übertritt von Heinrich IV von Frankreich bestand daraus, dass er in einer katholischen Kirche die Kommunion erhielt. Sein erster Übertritt beinhaltete zusätzlich noch eine feierliche Taufe im Kreise weiß gekleideter Ritter.
Heutzutage wird eine innerchristliche Konversion in der Regel mit einem Gottesdienst und einer Beichte verbunden, eine Neutaufe ist nur dann nötig, wenn die eine Gemeinschaft die Taufe der anderen Gemeinschaft nicht anerkennt. Ansonsten kommt die Taufe einfach hinzu.

Wesentlich aufwändiger ist der Vorgang, falls jemand zum Judentum konvertieren sollte. Wichtig ist hier, dass der Konvertit nicht nur der Religionsgemeinschaft beitritt – sondern sich quasi auch zum Teil des jüdischen Volkes erklärt.
Der Übertritt nennt sich Gijur und besteht aus drei Teilen, die notwendig sind um überzutreten:
Ol Mizwot – das Joch der Gebote. Dieser Ausdruck bedeutet, dass der Konvertit sich verpflichtet, sämtliche Ge- und Verbote des Judentums einzuhalten. Dabei handelt es sich um insgesamt 613 Regeln, die einzuhalten sind. Bis auf Mord, Inzucht und Götzendienst – also dem Anhängen eines anderen Glaubens – dürfen alle Gebote im Notfall gebrochen werden. Von einem Konvertiten erwartet man in diesem Fall jedoch, vorschriftsmäßiger zu leben als der Rabbiner selbst.
Sollte der Konvertit männlich sein, ist darüber hinaus die Brit Mila – die rituelle Beschneidung – notwendig.
Der dritte Teil entspricht im Grunde genommen einer christlichen Wassertaufe, nennt sich Tvila und bezeichnet das Untertauchen in einer Mikwe, einem rituellen Wasserbad.
Erst dann darf der Konversionswillige am jüdischen Leben teilnehmen und im jüdischen Brauchtum unterwiesen werden. Das kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Erst dann sitzt ein Gericht aus drei Rabbinern über ihm und nimmt ihn in die Glaubens- und Volksgemeinschaft auf.

Wer Moslem werden will, hat den geringsten Aufwand. Es reicht aus, das Glaubensbekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Gesandter“ in Gegenwart mindestens zweier muslimischer Zeugen zu sprechen und anschließend am gemeinsamen Gebet teilzunehmen.
Die einzige Hürde ist, dass dies auf arabisch und bei vollem Bewusstsein zu sprechen ist. Eine Beschneidung wird von männlichen Konvertiten in der Regel nicht gefordert.
Allerdings muss beachtet werden, dass viele Muslime der Meinung sind, es gäbe keine Konvertion – jeder Mensch werde als Muslim geboren und der oben beschriebene Vorgang sei somit einfach zum richtigen Glauben zurückkehrt, wenn er die oben gesprochene Formel spricht.

Fazit

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, einer Welt Leben einzuhauchen. Zu einer runden Geschichtsschreibung gehören dabei selbstverständlich auch Glaubenskonflikte und damit verbundene Glaubenswechsel.
Der Weltenbauer kann sich dabei von der Vielfalt der historischen Vorbilder inspirieren lassen und den existierenden Weltreligionen beim Prozedere auf die Finger schauen oder sich völlig eigene Motive und Vorgänge ausdenken.
Was zählt, ist das Ergebnis – eine runde Welt mit einer spannenden Geschichte und einer vielfältigen Kultur.

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Über Katherina Ushachov

Lektoriert, liest alpha, beta, gamma und omega. Administriert Foren, entdeckt beim Schreiben und schafft dabei Trilogien in neun Bänden. Dichtet.
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