Fallstudie: Zeitreisen III – Die Zeitzocker

Bisher beschäftigten wir uns in unserer Zeitreisenserie vor allem mit teuren Hollywoodproduktionen wie „Zurück in die Zukunft“ und „Prince of Persia“. Das Werk, das heute in unserem Fokus steht, ist ganz anderer Art. Mit „Die Zeitzocker“ lieferte das Wiesbadener Kreativduo Michael Musal und Benno Samuel Anfang der 90er Jahre eine skurrile, aber lustige und liebenswerte Comic-Adaption des Zeitreisenthemas. Erschienen ist die Serie bei EHAPA – zu wie vielen Bänden sie es brachte, ist leider unklar, da im Internet kaum noch etwas von ihr aufzufinden ist.

Die Ausgangssituation von „Die Zeitzocker“ ist folgende: In einer weit entfernten Zukunft – eine genaue Jahreszahl wird leider nicht genannt – haben sich alle wichtigen Banken, Versicherungen und Konzerne zu einem mächtigen Syndikat vereinigt und halten die Welt im Würgegriff. Nur eine Handvoll von Wissenschaftlern wagt es, Widerstand zu leisten: Sie entwickeln ein Zeitreiseprogramm, dessen Ziel es ist, das Syndikat bereits an seinen Ursprüngen anzugreifen. Und so reist die Agentin Sinaa in die Vergangenheit – mal ins Frankreich zur Zeit der Revolution, mal ins gerade von den Conquistadoren geplünderte Spanien oder wo auch immer die bösen Buben sonst ihre Finger im Spiel hatten und die Kapitalgrundlagen für das zukünftige Syndikat gelegt haben.
Unterstützt wird Sinaa dabei von Michel, Eckbert und dessen Hund Ede, die sie bei einem versehentlichen Zeitsprung in die 1990er Jahre kennenlernte.

Die Zeitmaschine und ihre Funktionsweise

Die Zeitmaschine, die auf den liebevollen Namen „Zapper“ hört, ist verglichen mit dem, was man in der Sci-Fi-Literatur und -Filmwelt sonst findet, recht unspektakulär. Es handelt sich um ein unterarmlanges „Armband“, mit kleiner Tastatur und einer digitalen Ziffernanzeige, um die Zielzeit anzugeben.
Der Zapper verfügt über zwei Akkus und eine Akkuladung reicht jeweils für einen Zeitsprung – einmal aufgeladen also genug für die Hin- und Rückreise. Wie viel genau ein Akku fasst und welche Strommenge verbraucht wird, wird in den Comics leider nicht erläutert. Allerdings scheint die haushaltsübliche Spannung von 220 Volt viel zu wenig zu sein, denn als Sinaa ihren Zapper in den 90ern einmal auflädt, ist sofort die ganze Stadt dunkel.

Beim Zappen von einer Zeit in die andere entsteht um die Zeitreisenden ein starkes Magnetfeld, dass sowohl am Ausgangsort, als auch am Zielort alles in der näheren Umgebung von den Beinen fegt.
Mitzappen tut nur, wer irgendwie mit dem Zapper verbunden ist – Michel und Eckbert können also nur mit, wenn sie Sinaa an der Hand fassen. Was nicht mit Sinaa oder dem Zapper verbunden ist, bleibt zurück.

Der Zapper kann übrigens mehr, als nur durch die Zeit zu zappen. Die Zeitreise beginnt z.B. in Eckberts Wohnzimmer und im nächsten Moment finden sich die Protagonisten auf einem Friedhof in Paris oder einer Hafenstadt in Südamerika wieder. Der Zapper ist also in der Lage, nicht nur die Zeit, sondern auch den Raum zu beeinflussen und die Zeitreisenden überall dort auszuspucken, wo sie denn gerne hin möchten.

Ist man schließlich vor Ort angekommen und plagt sich mit der Erledigung der eigentlichen Mission ab, so hilft der Zapper auch hierbei: Wenn die Zielpersonen (die den Zeitzockern ja meist unbekannt sind) in der Nähe sind, piepst der Zapper und macht seine Trägerin darauf aufmerksam.

Auswirkungen der Zeitreise

Sobald man sich Gedanken über die Auswirkungen der Zeitreise macht, wird es bei den Zeitzockern kompliziert. Denn der Hauptgrund für die Zeitreisen ist ja, die Vergangenheit zu ändern – und so auch die Zukunft umzugestalten.
Aber was genau wird da umgestaltet? Wenn Sinaa von einer Zeitreise heimkehrt, wird sie mit Glückwünschen empfangen, denn die neuesten Berechnungen haben ergeben, dass das Kapital des Wirtschaftssyndikats um einige wenige Promille gesunken ist.
Streng genommen müsste dann aber jede Änderung der Vergangenheit eine Auswirkung haben – was ist z.B. mit den drei Schurken, denen Sinaa im ersten Band das Handwerk legt und die Napoleon höchstpersönlich dem Dr. Guillot zum Erproben seiner neuen Maschine überlässt? Hatten diese drei Schurken Nachkommen? Wenn ja, was passiert mit ihnen, wenn ihre Vorväter durch Sinaas Intervention ein früheres Ende finden und nicht zur Zeugung ihrer Nachkommenschaft kommen?
Fragen, auf die die Serie leider keine Antwort gibt. Die Auswirkungen auf die zukünftige Zeit scheinen sich auf das Kapital zu beschränken – oder ist den Wissenschaftlern der Preis von Menschenleben bewusst und er wird nicht thematisiert, da er als Opfer für eine bessere Zukunft verstanden wird?

Völlig unproblematisch gestaltet sich bei den Zeitzockern hingegen der Umgang mit Mitbringseln aus der Vergangenheit. Im ersten Band entlohnt Sinaa ihre beiden Helfer Michel und Eckbert mit ein paar echten Goldlouis – Münzen aus der Zeit der französischen Revolution, die sie aus einer Schatztruhe mitgehen hat lassen.

Übrigens reagiert auch die Vergangenheit recht unbeeindruckt auf die Zeitreisenden – niemand im alten Frankreich wundert sich über die moderne Kleidung der Protagonisten, und auch sprachliche Probleme gibt es keine. Die Protagonisten und die Franzosen verstehen sich sofort, lediglich Eckbert eckt mit seiner modernen Ausdrucksweise teils etwas an. Konsequenzen hat das scheinbar keine – ob Französisch, Spanisch oder eine andere Sprache, der Zeitreisende von heute wird eben überall verstanden ;-)

Fazit

Das Konzept hinter „Die Zeitzocker“ mag bei längerem Überlegen moralisch fragwürdig sein, aber nichtsdesto trotz findet man in den Comics eine vergnügliche und erheiternde Geschichte vor, die mit ihren vielen Verwicklungen, Missverständnissen und Seitenhieben auf tatsächliche historische Personen oft zum Schmunzeln bringt.
Als praktisch erweist sich auch die Funktion des Zappers, den Ort zu wechseln – während z.B. Marty McFly räumlich sehr eingeschränkt ist, eröffnet sich für die Zeitzocker tatsächlich die weltweite Historie.

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Über fruehstuecksflocke

Tätig als Studiosus, Autor, Blogger, Leser; außerdem Zusatzqualifikationen: Zitatesammler, Schwammaufsauger von jeglicher Nichtigkeit und leidenschaftlicher Verlierer beim Schachspiel.
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6 Antworten zu Fallstudie: Zeitreisen III – Die Zeitzocker

  1. Evanesca Feuerblut schreibt:

    Und wie es moralisch fragwürdig ist! *g*
    Ich finde es aber interessant, dass man für fast jede Art der Sci-Fi-Zeitreise enorm viel Energie benötigen würde. Das war bei „Zurück in die Zukunft“ so und scheint hier ähnlich.

    • fruehstuecksflocke schreibt:

      Stimmt, der Energiehunger der technischen Zeitmaschinen ist enorm! Auch mein nächster Fallstudienkandidat legt mal schnell ganz Amerika lahm….

      Anders ist es da bei den Fantasy-Zeitmaschinen: Weder der Dolch der Zeit, noch Hermines Zeitumkehrer scheinen wirklich Energie zu verbrauchen. Aber zu Hermine komm ich eh nochmal in einem separaten Artikel ;)

  2. Pingback: Fallstudie: Zeitreisen IV – Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit | Weltenschmiede

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