Beitrag zur Blogparade bei Jennifer Jäger – „The picture of Dorian Gray“

Nicht nur der Inhalt macht ein Buch zum Lieblingsbuch – auch damit verknüpfte Erinnerungen können ein Buch noch kostbarer machen, als es ohnehin schon ist. Das Buch, welches ich für Jennifer Jägers Blogparade portraitieren will, ist eins, bei dem Geschichte auf Inhalt trifft.

Ich war immer eine recht gute Schülerin und hatte seit Jahren den Traum, am Ende des Schuljahres bei der Abschlussfeierlichkeit in der Aula nach vorne geholt und mit einem Buch beehrt zu werden. Doch egal wie gut meine Noten waren – irgendein Mitschüler war immer um eins besser und ich fing bereits an, zu resignieren.
Als ich am Ende der achten Klasse neben meiner damaligen besten Freundin saß, fieberte ich dem Aufruf der ausgezeichneten Achtklässler nicht mehr entgegen. So mussten mich die Mitschüler zischend anstupsen, als mein Name durch die Aula hallte.
Auf einmal war die Nervosität wieder da. Die 20 m nach vorne kamen mir wie 20 km vor, ich hatte das Gefühl, jeden Moment über meine auf einmal viel zu hohen Sandalen zu stolpern und zuppelte mit klitschnassen Händen an meinem Top herum. Bestimmt schlägt ein Meteorit ein, ehe ich dort bin…
Irgendwann stand ich vorne, in einer Reihe mit der Klassensprecherin und einer sehr klugen Freundin aus der Parallelklasse. Ich zitterte so stark, dass meine Kniescheiben aneinanderklackerten und hörte alles wie durch Watte.
„Du bist doch der Englisch-Frick?“ Ja, mein hypersympathischer Gymnasialdirektor hatte es damals wirklich so ausgesprochen – sogar zwei Mal, da ich zu nervös war, um ihn beim ersten Mal zu verstehen.
Hastig nickte ich und hielt, ehe ich wusste wie mir geschah, das hübscheste kleine Buch in der Hand, das ich bis dahin besessen hatte – samt eingeklebter Widmung.
Ich habe danach nur noch gegrinst wie ein Schaf, auch als ich wieder an meinem Platz saß. Dort konnte ich nur noch das Büchlein betrachten:
Der blau-weiß gestreifte Schutzumschlag aus hochwertigem Papier sah schlicht und edel aus. Darunter ein geprägter Umschlag aus rotem Samt und ein Innenumschlag wie goldene Tapeten aus dem 18ten Jahrhundert. Sämtliche Seiten hatten eine Blattgoldumrandung und waren so hauchdünn, dass ich mich kaum getraut habe, mit meinen profanen Händen durchzublättern. Die Welt versank für mich, ich wollte nur noch nach Hause und in diesem kostbaren Schatz blättern…

Der Inhalt stand der feierlichen Optik und den Umständen in nichts nach.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Lebemann Henry sieht beim Maler Basil den schönen und charakterlich unverdorbenen Dorian. Dieser äußert den Wunsch, ewig so jung und schön zu sein wie auf seinem Bildnis. Doch die Erfüllung dieses Wunsches setzt eine Spirale der Gewalt in Gang, die nicht mehr aufzuhalten ist.
Es ist eine auf morbide Weise faszinierende Geschichte, die mich innerhalb kürzester Zeit in ihren Bann gezogen hat. Ich glaube, spätestens auf der zweiten Seite hatte ich vergessen, dass ich ein Buch auf Englisch las. Oscar Wilde zeigte sich in diesem Buch von seiner besten Seite – die Dialoge waren voller Sprungkraft und Witz, die Spannung oft kaum auszuhalten und als ich das Buch weglegte, spukte es mir noch immer im Kopf herum.

Es war das erste Mal, dass ich vom Konzept „Ewige Schönheit im Ausgleich gegen ewige Qualen“ las und es faszinierte mich über die Maßen, beflügelte meine Fantasie. Dass die kurze Zeit später gelesenen Anne-Rice-Romane bei mir da nur auf fruchtbaren Boden fallen konnten, ist dann schon der Beginn einer eigenen Geschichte.

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Über Katherina Ushachov

Lektoriert, liest alpha, beta, gamma und omega. Administriert Foren, entdeckt beim Schreiben und schafft dabei Trilogien in neun Bänden. Dichtet.
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7 Antworten zu Beitrag zur Blogparade bei Jennifer Jäger – „The picture of Dorian Gray“

  1. Julias Buchblog schreibt:

    Oh ja, Dorian Gray mag ich auch sehr. Generell hat mir Oscar Wilde sehr geholfen, mich mit dem anfangs ziemlich ungeliebten Englisch zu versöhnen ;)
    Übrigens, wenn dich „Wie man über Orte spricht“ interessiert, frag doch (wie ich) beim Verlag nach einem Rezensionsexemplar. Meine Rezi ist die erste deutschsprachige überhaupt, das Buch ist erst seit einer Woche auf dem Markt, da dürfte der Verlag froh sein um weitere rezensierwillige Blogger. Und thematisch kann ich mir das bei euch Weltenbastler gut vorstellen, da es oft darum geht, was eine Ortsbeschreibung ausmacht, damit der Leser sie als glaubwürdig empfindet.

    LG, Julia

    • Evanesca Feuerblut schreibt:

      Ach, ich habe Englisch schon immer geliebt und musste mich nicht damit versöhnen *g*. Im Nachhinein muss sich das ganz schön rumgesprochen haben, dass ich gut in Englisch war – alle anderen Schüler erhielten deutsche Bücher damals.

      Die Frage ist, ob unser Blog schon groß genug für Rezensionsexemplare ist… Ansonsten wäre es für mich ja kein Problem, einen entsprechenden Ratgeber vorzustellen. Thematisch passt es ja tatsächlich gut in unseren Blog, danke für den Tipp :)

      • Christiane schreibt:

        „…groß genug für Rezensionsexemplare“ – Ich denke auch, dass da sicher nicht nur die Größe des Blogs sondern auch die Qualität ne Rolle spielt.
        LG

  2. Tintenelfe schreibt:

    Ein sehr schöner Artikel!
    Versuch es doch ruhig mit dem Rezensionsexemplar. Wenn ich mir so einige Blogs angucke, die regelmäßig Rezensionsexemplare bekommen, die sind weder besonders gut besucht noch qualitiav so gut wie Eurer. Auf der Buchmesse habe ich erlebt, wie Blogger wahllos die Verlage angesprochen haben und auch wahllos Rezensionsexemplare bekommen haben. Ich war ziemlich perplex, ich lese doch nicht ein Buch, nur weil ich es kostenlos bekomme. Naja, ich rezensiere nicht mal jedes Buch, das ich lese. Aber das muss wohl jeder selber wissen. :-)

    • Evanesca Feuerblut schreibt:

      Danke, Tintenelfe :D.
      Okay… das widerum finde ich merkwürdig. Einfach nur um Bücher gratis zu bekommen, würde ich sowas nicht tun, es müssten dann schon blogrelevante Bücher sein.
      Ich rezensiere schon jedes Buch, aber nicht so ausführlich, wie Buchblogger, sondern nur ganz kurz mit Inhaltsangabe und meiner Meinung in meinem Forum.
      Das Thema wird auf jeden Fall intern diskutiert, danke für die Tipps!

  3. Christiane schreibt:

    Toller Beitrag! Mir gefällt besonders deine persönliche Geschichte zu diesem Buch.
    ;)
    LG
    Christiane

    • Evanesca Feuerblut schreibt:

      Vielen Dank! Ich finde, ein Lieblingsbuch ist nicht einfach nur etwas, das besonders toll geschrieben ist. Es ist die Geschichte dahinter, die es besonders macht :).
      LG,
      Evanesca

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