Fallstudie: Schurken III – Big Smoke aus Grand Theft Auto: San Andreas

Im dritten Teil unserer Fallstudienserie wenden wir uns weniger einem diabolischen Schurken als vielmehr einer gescheiterten Existenz zu: Melvin „Big Smoke“ Harris, dem Antagonisten des Videospiels Grand Theft Auto: San Andreas aus dem Hause Rockstar Games.

Der Weg zum Bösen

Big Smoke war nicht von Anfang an ein skrupelloser Gangster, wie man es bei Videospielen vielleicht erwarten würde. Wie die meisten Charaktere des Spiels ist Big Smoke ein Kind des Ghettos von Los Santos (einer fiktiven Stadt, die an Los Angeles angelehnt ist). Aufgewachsen – um nicht zu sagen: hineingeboren – in Perspektivenlosigkeit, schloss er sich der Straßengang Grove Street Families an und machte dort bald Karriere, stieg zu einem der hochrangigen Mitglieder auf und darf sich zu einem der engsten Freunde des Bandenchefs Sean „Sweet“ Johnson zählen.
In die Handlung des Spiels eingeführt wird Big Smoke zu Beginn als großer, etwas molliger Freund und Mentor des Protagonisten des Spiels, Carl „CJ“ Johnson. CJ ließ Jahre vor der Handlung des Spiels seinen und Sweets Bruder Brian sterben, anstatt ihm zu helfen – denn er hatte Angst, dachte nur an seine eigene Haut und musste darum dann auch die Stadt verlassen. Als er schließlich zur Beerdigung seiner Mutter nach Los Santos zurückkehrt, schlägt ihm von Seiten der Grove Street Gang nur Ablehnung und Misstrauen entgegen. Big Smoke allerdings stellt sich von Anfang an auf CJs Seite: Er vermittelt zwischen CJ und Sweet, führt CJ mit alten Freunden zusammen, steht ihm stets mit Rat zur Seite und unterstützt ihn in so manchem Kampf mit feindlichen Gang-Mitgliedern. Denn Big Smoke kann CJ gut verstehen: Durch seine Flucht aus der Stadt konnte CJ für einige Zeit den Fehden und Bandenkriegen, der Gewalt, der Kriminalität und der Perspektivenlosigkeit entkommen – er hatte es geschafft, sich aus dem Sumpf des Ghettos zu befreien. Danach sehnt sich auch Big Smoke.
Schon früh im Verlauf der Handlung geraten Sweet und Smoke immer wieder aneinander. Während Smoke dafür eintritt, es den anderen Straßengangs gleich zu tun und in den Drogenhandel einzusteigen, lehnt Sweet dies aus Furcht vor den Konsequenzen und der Suchtproblematik kategorisch ab. Die Grove Street Families sollen frei bleiben und nicht im zerstörerischen Sog der Drogen untergehen. Dies führt allerdings auch dazu, dass die Gang sich mit der Zeit immer schlechter gerüstet sieht im direkten Kampf gegen die Konkurrenz, die sich durch Drogengeld bessere Waffen und Ausrüstung leisten kann.
Big Smoke, der durch seine offene Initiative die Gang ins „gelobte Land“ führen wollte, erliegt bald der Versuchung, wenigstens sich selbst aus dem Sumpf des Ghettos zu ziehen. Er verbrüdert sich mit feindlichen Gangs, steigt in den Drogenhandel ein und kann sich bald ein neues Haus und ein neues Auto leisten … Geld stinkt nicht, es verführt. So kommt es, dass Smoke seine alten Freunde willentlich verrät, maßgeblich am Tod von CJs Mutter und einem Hinterhalt auf Sweet beteiligt ist und schließlich, am Ende aller Dinge, von CJ umgelegt wird.

Ziele und Absichten

Big Smokes einziges Ziel ist es, dem Strudel der Gewalt zu entkommen. Er will ein besseres Leben für sich und die Seinigen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Als Sweet ihm das einzige sichere Ticket für die Gang aus Armut und Bandenkriegen verwehrt, schlägt Smoke sich auf die Seite der skrupellosen, korrupten Polizisten Frank Tenpenny und Edward Pulaski. Mit ihrer Hilfe sichert Smoke sich ein Stück vom Kuchen, zahlt dafür aber einen schmerzlichen Preis: Er verliert all seine Freunde, für die er zunächst eigentlich nur Gutes wollte.
So findet man am Ende des Spiels, als es zum Kampf zwischen CJ und Big Smoke kommt, einen gebrochenen Smoke vor, der seinen Freund CJ niedergeschlagen begrüßt und schließlich nur zur Waffe fürs Duell greift, weil es sich eben so gehört. Eigentlich würde Smoke aber wohl lieber wieder mit CJ um die Häuser ziehen, Basketball spielen und sich seines Lebens freuen. Smokes Ziele führten ihn auf diesen Weg, aber am Ende ist er ihnen dadurch ferner denn je.

Das Drogensyndikat

Das Drogensyndikat, das Big Smoke aufbaut, ist beachtlich: Es gelingt ihm, mit den Ballas und den Los Santos Vagos die beiden größten Straßengangs von Los Santos durch den Drogenhandel zu verbinden. Auch die russische Mafia ist am Drogenhandel maßgeblich beteiligt.
Als Operationsbasis dient Big Smoke ein altes Lagerhaus, in dem er neben einem kleinen Penthouse für sich selbst, einer Versorgungsstelle für seine Dealer auf den Straßen und Räumlichkeiten für seine Leibwächter (die sich aus Ballas, Vagos und Russen rekrutieren) auch ein kleines Drogenlabor betreibt. Allerdings wird nur ein kleiner Teil der Drogen direkt in Los Santos hergestellt: Der Großteil des Stoffes, den Big Smoke vertreibt, wird aus San Fierro (einer weiteren fiktiven Stadt, ähnlich San Francisco) vom Loco-Syndikat geliefert. Dieses wiederum bezieht den Stoff aus Südamerika… Big Smoke ist also innerhalb kürzester Zeit zu einem internationalen Drogenbaron aufgestiegen.

Weltenbauerisches Fazit

Für Weltenbastler mag Big Smoke vor allem darum interessant sein, weil er nicht von Anfang an böse Absichten hatte. Hinter der harten Schale des Schurken verbirgt sich ein weicher Kern, der geprägt ist von dem Wunsch, etwas aus sich zu machen und der Gewalt zu entkommen. Smoke sehnt sich nach Freundschaft, Frieden und einem besseren Leben – und ist durch die Grausamkeit der Realität so zerrüttet, dass er sich irgendwann entschließt, jedes Mittel zu ergreifen, das Erfolg versprechen könnte.

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Über fruehstuecksflocke

Tätig als Studiosus, Autor, Blogger, Leser; außerdem Zusatzqualifikationen: Zitatesammler, Schwammaufsauger von jeglicher Nichtigkeit und leidenschaftlicher Verlierer beim Schachspiel.
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