Während so gut wie Jeder „Die Nebel von Avalon“ zumindest vom Hörensagen kennen dürfte, stellt „Das Licht von Atlantis“ einen weniger bekannten Roman der Fantasy- und Sci-Fi-Autorin Marion Zimmer-Bradley dar. Bisher war von den vielfältigen Welten dieser Autorin lediglich in den Blogkommentaren hier die Rede, was sich jedoch spätestens mit diesem Artikel ändern soll.
„Das Licht von Atlantis“ spielt zum größten Teil in einer Tempelstadt am Meer und die Hierarchie innerhalb dieses Tempels spielt eine entscheidende Rolle für das Schicksal der Romanfiguren.
Stehen nicht in hohen Ehren – Die Graumäntel
Im Laufe des Romans werden sie auch als „die Magier“ bezeichnet – die Graumäntel, deren Oberhaupt der Adept Riveda ist. Ihr Name rührt daher, dass die Roben der Magier grau sind.
Die einzelnen Mitglieder des Magierordens haben als höchstes Ziel die Selbstvervollkommnung. Dafür halten sie sich in ihren eigenen Räumlichkeiten auf und führen dort komplizierte Experimente oder Rituale durch.
Jeder Magier kann außerdem einen Schüler, den Sheela, halten – oder eine Schülerin. Diese werden vom jeweiligen Magier ausgebildet, leben zusammen und müssen an gemeinsamen Ritualen teilnehmen.
An diesen Ritualen sind auch saji-Frauen beteiligt. Diese Mädchen und Frauen werden vom Rest des Tempels verachtet, da ihnen nachgesagt wird, sie würden sich zügellos verhalten. Tatsächlich führen die Magier mit saji magische Rituale durch, die rituellen Geschlechtsverkehr beinhalten – der folgt strengen Regeln und hat wenig mit Zügellosigkeiten im eigentlichen Sinne zu tun.
Saji gelten als kultisch unrein – wenn eine Priesterin Caratras das Kind einer saji entbunden hat, wird sie aus Caratras Tempel ausgeschlossen, da man meint, weitere von ihr entbundene Kinder müssten sterben.
Geehrt, aber von den höchsten Weihen ausgeschlossen – die Priesterinnen Caratras
Caratra ist eine Frauen- und Muttergottheit, die im Priesterstaat verehrt wird. Ihrem Kult dürfen nur Frauen angehören. Ihre rituelle Kleidung ist blau und darf von keinem Mann auch nur erblickt werden.
Jedes Mädchen und jede Frau, sofern sie nicht den saji angehört, muss ab einem bestimmten Alter für eine Weile im Tempel Caratras das Basiswissen über Heilkunde und Geburtshilfe lernen. Jedes Jahr werden Mädchen und Frauen für einen Monat zu diesem Dienst berufen.
Zeigt ein Mädchen eine besondere Begabung für Heilkunst und Geburtshilfe, so kann es sich um eine Aufnahme in den Tempel Caratras bemühen und dort dann die Stufen von der Novizin bis zur Hohepriesterin erklimmen.
Dies ist im Übrigen die einzige Möglichkeit für namenlose – also nicht von Vätern anerkannte – Mädchen, sich einen hohen Rang in der Gesellschaft zu erkennen. Im Roman wird diese Aufstiegschance anhand von Karahama illustriert. Doch obwohl sie den Rang einer Hohepriesterin Caratras hat, wird Karahama als ehemals Ausgestoßene der Gesellschaft dennoch von einigen Priestern der höchsten „Kaste“ mit Verachtung gestraft.
Caratra-Priesterinnen können nicht die Weihen einer Priesterin des Lichts erhalten, sie können jedoch durchaus einen hohen Rang unter den Graumänteln erwerben. Allerdings dürfen sie keiner saji Geburtshilfe leisten, da sie sonst aus dem Tempel Caratras ausgestoßen werden.
Stehen in den höchsten Ehren – die Priester des Lichts
Die Priester des Lichts sind in gewissem Sinne eine exklusivere Schicht als die anderen. Den höchsten Rang nehmen die Hohepriester ein, die sich Wächter nennen. Sie haben die Pflicht, alle anderen Gruppen innerhalb des Tempels zu überwachen, die Oberhäupter der anderen Tempel zu Kontrollen ihrer Leute aufzurufen und Recht zu sprechen. Bei einer Verurteilung zum Tode haben sie das Recht, dem Verurteilten die Gnade eines leichteren Todes zuzugestehen.
Um Wächter zu werden, muss man zu den 12 Akoluthen gehören. Bei diesen handelt es sich um jeweils sechs Männer und sechs junge Frauen, die eine besondere Ausbildung erhalten und besondere Gelübde auf sich nehmen müssen. Bei ihrer Weihe wird festgelegt, welchen Akoluthen des anderen Geschlechts sie zu heiraten haben, indem die Horoskope der Einzelnen verglichen und in Einklang gebracht werden. Auf diese Weise soll außerdem kontrolliert werden, dass einerseits die Priesterkaste unter sich bleibt, andererseits die Kinder nicht zu nah miteinander verwandt sind.
Weibliche Akoluthen haben das Recht, vor der Heirat mit ihrem bestimmten Partner das Kind eines anderen Mannes auszutragen. Männer haben das Recht, mit einer anderen Frau ein Kind zu zeugen. Sie müssen dabei allerdings innerhalb der Priester des Lichts bleiben.
Den niedrigsten Rang unter den Priestern des Lichts nehmen die Scriptoren ein – das sind Kinder, deren Aufgabe es ist, den höheren Priestern die Schriftrollen vorzulesen, da die Menschen im Roman annehmen, dass Gehörtes besser im Gedächtnis haftet als Selbstgelesenes. Diese Kinder werden von den Priestern, denen sie vorlesen sollen, oftmals wie Möbelstücke behandelt und müssen sich an weitaus strengere Regeln halten als die liberaler behandelten Akoluthen.
Ein verbotener Orden außerhalb der Gesellschaft – die Schwarzmäntel
Die Schwarzmäntel rekrutieren sich im Grunde genommen aus allen im Tempel lebenden Schichten, sie verstecken sich jedoch vor allem unter den Graumänteln.
Es handelt sich um schwarze Magier, die durch „blasphemische“ Rituale und schwarzmagische Praktiken nicht nach Selbstvervollkommnung, sondern nach Macht über andere Wesen und die Elemente streben. Um an diese Macht zu gelangen, gehen sie sogar über Leichen.
Da es sich um einen geheimen und verbotenen Orden handelt, können ihm alle angehören, ob Priester des Lichts oder Graumäntel. Niemand weiß, wer hinter der Maske eines Schwarzmantels steht.
Auch wenn manche sich aus hehren Zielen den schwarzen Magiern anschließen – so Riveda, um nach einem misslungenen Ritual Deoris‘ Leben zu retten – werden alle Mitglieder des Ordens mit der Zeit von Machtsucht korrumpiert.
Außerhalb der Gesellschaft – die Namenlosen
Wenn der Vater – oder ein beliebiger anderer Mann, der die Vaterschaft rituell auf sich nimmt – sich nicht bereiterklärt, an der Zeremonie der Namensgebung für ein Kind teilzunehmen, kann das Kind nicht anerkannt werden und erhält keinen rituellen Namen. Dies kann beispielsweise passieren, wenn die Mutter im Rang weit unter dem Vater steht.
Dadurch ist das Kind für die Priester des Lichts juristisch nicht vorhanden und wird ignoriert. Diese Kinder werden oftmals ausgesetzt und dem Tod überlassen. Nur mit Glück werden einige von ihnen aufgezogen, leiden jedoch unter dem namenlosen Zustand, der ihnen die meisten Aufstiegschancen vereitelt.
Mädchen haben die Möglichkeit, in den Tempel Caratras einzutreten und dort Karriere zu machen oder sich zu saji ausbilden zu lassen. Jungen bleibt einzig der Weg in den Orden der Graumäntel als Sheela.
Totgeschwiegen und verachtet – das Idiotendorf
Dieses Dorf wird im Roman nur wenige Male erwähnt. Es scheint, dorthin werden geisteskranke Kinder verbannt, um fern von der Gesellschaft, der Stadt und dem Tempel zu leben. Darüber wird nicht gesprochen.
Weltenbauerisches Fazit
Marion Zimmer-Bradley schafft mit der Tempelstruktur in „Das Licht von Atlantis“ eine Gesellschaftsstruktur, die von den höhergestellten Beteiligten zwar als ideal angesehen wird, jedoch bereits in ihrer Grundstruktur Spannungen und Konflikte vorprogrammiert.
Selbst wenn es die Auslöser der Haupthandlung im Roman nicht gegeben hätte, wären die Statusunterschiede zwischen den einzelnen Priesterinnen und Priestern, die Spannungen zwischen Karahama und den Priestern des Lichts oder das Grundmisstrauen den Magiern bereits ausreichend gewesen, um eine Konflikthandlung zu verursachen.
Davon kann der angehende Weltenbauer tatsächlich viel lernen, denn eine Umgebung, in der bereits ein spannungsreicher Konflikt angelegt ist, bietet ein interessanteres Romansetting, als eine Umgebung, die keine Ecken und Kanten aufweist.
Kennt ihr andere Romane, die schon im Setting einen Konflikt beinhalten? Nutzt ihr solche Konzepte selbst beim Weltenbau? Schreibt uns!
Tolle Rezension, hat mich soagr bewegt das Buch zu kaufen, und bis jetzt bin ich nicht enttäuscht davon :) Danke !
Lg,
Immer wieder gern, aber ich würde nicht sagen, dass das hier eine Rezension im klassischen Sinne war. Ich hätte auch ein Buch analysiert, das mir nicht gefallen hat, adrum geht es in der Weltenschmiede nicht.
In diesem Fall hat sich lediglich mein persönlicher Geschmack aber mit einem Buch getroffen, über das sich tatsächlich gut eine Fallstudie schreiben lässt.
Marion Zimmer-Bradley war eine wundervolle Autorin, die gezeigt hat, dass mit dem richtigen Setting Buchreihen möglich sind, die sich nicht an denselben Protagonisten aufhängen.
Sie ist eins meiner Vorbilder.