Fallstudie: Vampire in verschiedenen Canons – Teil 7 – Myotismon

Im heutigen Teil unserer Blutsauger-Serie behandeln wir einen eher unüblichen Vertreter der Gattung: Das Digimon Myotismon. Die Kinder der 90er unter unseren Lesern wissen vermutlich bescheid und können sich noch des goldenen Zeitalters entsinnen, als der deutsche Privatsender RTL II in seinem Nachmittagsprogramm nicht nur auf betrunkene Teenies auf Mallorca oder stahlharte Berliner Privatdetektive setzte, sondern einen japanischen Anime nach dem anderen ausstrahlte.

Für alle anderen hier die Kurzfassung: Die Anime-Serie Digimon handelt von einer digitalen Parallelwelt, die von Monstern, den sogenannten Digimon (=Digital Monsters) bewohnt wird. Diese Welt wird allerdings von finstren Mächten bedroht und so sorgt eine unbekannte Macht dafür, dass mehrere Kinder von der Erde in die Digiwelt gelangen und dort als Digiritter allerlei bösen Buben Einhalt gebieten.

Einer dieser bösen Buben ist Myotismon – und bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses als waschechter Dracula-Abklatsch.

Optik

Myotismon hat – was nicht selbstverständlich für Digimon ist, manche Monster sehen z.B. aus wie waschechte Dinosaurier – nahezu menschliche Gestalt. Es geht auf zwei Beinen und trägt Kleidung, die aussieht, als hätte man sie Dracula direkt aus dem Sarg gestohlen. Etwas altertümlich, passend für die Zeit des 17. oder 18. Jahrhunderts. Fehlen darf dabei natürlich auch nicht der typische Dracula-Umhang, der natürlich schwarz ist und dessen Kragen bis weit über die Ohren hochsteht.

Verziert ist dieses Outfit, damit auch kein Zweifel aufkommen kann, mit Fledermauszeichen auf Handschuhen, Schultern und einem Stiefel (während den anderen Stiefel ein Totenkopf ziert).

Abgesehen davon weist Myotismon auch das wichtigste Merkmal eines jeden Vampirs auf: Spitze Eckzähne.

Fähigkeiten

In Digimon verfügt jedes Digimon über ein fixes Set an Attacken. Myotismons erste Attacke hört auf den schauerlichen Namen „Gruselflügel“: Dahinter verbirgt sich ein Schwarm an Fledermäusen, der sich sofort aufmacht, den Gegner zu fressen (etwa so, wie wenn ein Piranha-Schwarm fliegen könnte…). Die zweite Attacke von Myotismon ist „Albtraumkralle“: Hierbei handelt es sich um eine Art roter Peitsche, mit der der Feind fröhlich verdroschen wird.

Zusätzlich dazu kann Myotismon aber auch per Telekinese Gegenstände bewegen und Attacken anderer Digimon umleiten. Und selbstverständlich kann es auch fliegen.

Vernichtung

Als waschechtem Vampir kann Myotismon nichts wirklich gefährlich werden: Die Digimon der Digiritter beißen sich an ihm die Zähne aus, keines kann im Kampf mit ihm bestehen. Zumindest kein herkömmliches (der Metall-Dino Metallgreymon oder der Riesenkäfer Megakabuterimon etwa). Wohl aber kann Weregarurumon sich mit ihm messen – und nicht nur zufällig sieht dieses Digimon aus wie ein Wolf auf Zweibeinen und in abgerissener Hose, ein Werwolf eben. Gab es da nicht mal diese Geschichte, dass Werwölfe und Vampire sich in ewiger Feindschaft befinden und sich auf ewig im Zwielicht verkloppen? ;)

Sei es, wie es sei, Myotismon kann Weregarurumon entkommen, dafür findet es sich im späteren Verlauf der Handlung einem anderen, eigentlich vom Level her schwächeren Digimon gegenüber: Angemon. Angemon, was wohl so viel wie „Angel Monster“ heißen soll, sieht auch genauso aus wie ein Engel. Und tatsächlich hält Myotismon nicht nur inne, sondern lässt sich von dieser pseydo-christlichen Macht zurückdrängen. Als dann auch noch Angewomon (das weibliche Pendant zu Angemon) auftaucht, ist es um Myotismon geschehen. Passenderweise jagt ihm Angewomon auch noch einen Himmelspfeil, der natürlich aus himmlischem weißen Licht besteht, durch die Brust. Obs ein Holzpflock auch getan hätte, erfahren wir leider nicht.

Was wäre aber ein Vampir, wenn er nicht Menschen aussaugen würde? Tatsächlich wagt Myotismon gleich zwei Versuche, sich seine Macht zurückzuholen. Beide Male zapft es die Energie von Menschenkindern an, um noch viel stärker zurückzukehren. Dabei macht es sich jedoch nicht die Mühe, jedes Kind einzeln zu beißen, sondern absorbiert einfach deren Energie. Beim ersten Versuch geht das noch auf magisch-telekinetische Weise, indem Myotismons Helfer die Kinder einfach zusammenscharen und sie schlafen schicken.

Beim zweiten Versuch wird jedes Kind einzeln mit dem Samen einer schwarzen Blume infiziert und Myotismon muss dann selbst jede einzelne dieser Blumen ernten.

Die vampirische Macht scheint mit der Rückkehr aber gebrochen zu sein: Beide Male kann Myotismon dann von jedem stinknormalen Digimon aus dem Weg geräumt werden, so es denn stark genug für diese Aufgabe ist.

Fazit

Da sich in der Digiwelt allerlei seltsame Gestalten tummeln, ist wohl anzunehmen, dass der Zufall es so wollte, dass einige dieser Gestalten eben Ähnilchkeit mit Vampiren haben. Ein wirklicher Entstehungsmythos ist leider nicht vorhanden, wozu auch? Myotismon ist an sich ein fieser Gegner, der gut in das christlich geprägte Gut-Böse-Schema passt, das bei Digimon immer wieder auftaucht und wohl einen eigenen allgemeinen Artikel wert wäre.

Nichtsdestotrotz ist Myotismon ein gutes Exempel dafür, wie die Japaner die christliche Religion und ihre vielen Mythen und Auswüchse adaptieren und verändern, um ihre Geschichten anzureichern – gleich dem, wie es in der westlichen Fantasy aktuell auch „in“ zu sein scheint, die nordische Mythologie wieder aufzugreifen und zu verballhornen. Aber auch das ist eine andere Geschichte…

Nun die Frage an euch: Sind euch schon mal Vampire oder christliche Symbole in anderen japanischen Mangas oder Animes begegnet?

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Über fruehstuecksflocke

Tätig als Studiosus, Autor, Blogger, Leser; außerdem Zusatzqualifikationen: Zitatesammler, Schwammaufsauger von jeglicher Nichtigkeit und leidenschaftlicher Verlierer beim Schachspiel.
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8 Antworten zu Fallstudie: Vampire in verschiedenen Canons – Teil 7 – Myotismon

  1. Evanesca Feuerblut schreibt:

    Hach ja, die guten alten Zeiten, als RTL II in Dauerschleife lief, weil ein toller Anime den anderen jagte.
    Ich finde es immer wieder interessant, was passiert, wenn in Japan christliche Elemente (oder generell etwas Abendländisches) übernommen wird. Für die Japaner ist das Christentum (und auch sonstige Elemente abendländischer Kultur) so exotisch und bizarr, wie für uns diverse Aspekte japanischer Religiösität, nehme ich an.
    Vampire sind in Japan sehr beliebt und ein gar nicht so seltenes Motiv, musste ich feststellen. Es gibt mehrere Anime und Mangas, die sich damit beschäftigen (Helsing, Vampire Knight, Cheeky Vampire und vieeeele andere) und den europäischen Mythos mit typisch japanischen Erzählelementen verbinden.
    Myotismon habe ich als einen sehr atmosphärischen Pseudodrakula in Erinnerung. Zumindest mir wurde es als Kind immer ein wenig anders, wenn die kleine Kari auf ihn zukam mit der Trillerpfeife um den Hals und er eine so schaurige Untergangsatmosphäre verbreitete. Und man weiß: Wenn jetzt kein Wunder passiert, dann muss die Kleine sterben und die ist doch so schon bei schwacher Gesundheit…
    Doch, Digimon – jedenfalls die alten Staffeln – war toll.

    • fruehstuecksflocke schreibt:

      Mir ist das bei den Recherchen heute auch aufgefallen, dass Digimon echt viele Anleihen am Christentum macht. Da wäre locker noch Stoff für ein paar Artikel drin. Auch zu Pokemon hatten wir ja mal was, wo man sehr seltsam mit Geistern/Seelen umging.
      Spontan würde mir auch noch diese Evangelion-Geschichte mit den Engeln, die die Welt bedrohen, einfallen. Und nicht zuletzt Dragonball… ich glaube, ich muss mich wirklich mal hinsetzen und da noch was drüberschreiben.

      • Evanesca Feuerblut schreibt:

        Ich habe auch noch was in der Schublade, das sich mit christlichen Vorstellungen in japanischen Animes befasst :).
        Aber ja, die Welt der japanischen Animationskultur gibt sehr viel Stoff für Fallstudien her.

  2. Julia schreibt:

    Spannend, was es da alles gibt! Animes sind für mich eine völlig fremde Welt, da bin ich offenbar gerade ein bisschen zu alt dafür (und ohne Fernseher aufgewachsen)…

    • fruehstuecksflocke schreibt:

      Ich bin leider auch längst nicht so bewandert in der Anime-Welt wie ich es gern wäre… fast alles, was ich kenne, ist auch schon über 10 Jahre alt, wirklich was aktuelles habe ich auch nicht gesehen. Schade eigentlich, verbirgt sich ja so viel herrlich-schräges Zeugs darunter.

  3. Nicht gerade Anime oder Manga, dennoch aus Japan: Final Fantasy greift sehr häufig auf das Christentum und andere Weltreligionen zurück. Von den Filmen weiß ich es gerade nicht, aber die Spiele strotzen nur so an geballter Ladung – für Japan – fremdartiger Kulturen. Dabei finde ich die japanische Mythologie nicht gerade uninteressant. Besonders die ganzen Wesenheiten und gottähnlichen Kreaturen finde ich spitze ;)

  4. PoiSonPaiNter schreibt:

    Ach ja die Digimon…schon ne tolle Serie gewesen…
    Neben Myotismon gab es ja auch noch Devimon, dass im Prinzip der Teufel (Devil Monster) war und auch zur Zeit des Teufels (06:06:06) in der Menschenwelt erschienen ist.

    Andere Anime/Manga, die auch christliche Elemente haben sind auch: Blue Exorcist und D.Gray-Man, die jeweils Exorzisten Ordnen beinhalten, die gegen allerlei Dämonen kämpfen.

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