Heute ein Artikel eher theoretischer Natur. Wer eine Sprache baut, muss sich früher oder später auch der Frage stellen, wie er die Wörter seiner Sprache schreibt. Mal abgesehen vom heutzutage modernen Akzente-Wirrwarr auf Fantasy-Namen, die den Leser schier in den Wahnsinn treiben, sollte auch die Schreibung von Wörtern in der selbsterfundenen Sprache Hand und Fuß haben, sofern man es dem Leser möglich machen will, die Sprache nachzuvollziehen (oder um von Bloggern wie uns nicht verrissen zu werden).
Sehr reich an Grundprinzipien der Rechtschreibung ist – wer hätt’s gedacht? – die deutsche Rechtschreibung. Das macht sie vielleicht nicht einfacher zu erlernen, aber es zeigt doch, dass dem System eine gewisse Logik innewohnt.
(Für alle Rechtschreibprofis, Linguisten und Sprachwissenschaftler jeglicher Art da draußen: Dieser Artikel vereinfacht sehr, sehr stark und erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit)
1. Das phonematische Prinzip
Zugegeben kein einfacher Name, geht es hierbei doch „nur“ um Laute. Die Grundidee, sehr vereinfacht gesagt, ist, dass einem Schriftzeichen ein Laut entspricht. Blöd hierbei ist, dass der Laut A immer mit einem a verschriftlicht wird, das A aber eigentlich kurz oder lang sein könnte. Auch hierfür hat man sich etwas ausgedacht: Dehnungs-h („stummes h“), Doppelvokale und Doppelkonsonanten.
Der Grundgedanke: Wenn der Vokal lang ist, können wir doch einfach zwei schreiben. Das Problem: Was bei „Haar“ noch gut aussieht, wird bei faaren oder Kuu irgendwie seltsam – zumal man letzteres auch noch mit einem w verwechseln könnte. Kosmetischerweise begannen Drucker schon in frühen Zeiten, ein stummes h für Doppelvokale setzen – fahren und Kuh eben zur Kennzeichnung des langen Vokals. Weil das aber nicht überall so gut aussieht (man stelle sich Boht oder Beht vor), gibt es Relikte, die noch den Doppelvokal haben.
Ganz ähnlich gedacht: Ist der Vokal kurz, verdoppelt sich der Konsonant dahinter: Ebbe, Kuss etc.
2. Das silbische Prinzip
Silben kennen wir alle vom Trennen der Wörter am Zeilenende. Darüber hinaus leisten Silben aber noch mehr bei der Rechtschreibung. Idealerweise sind alle Silben gleich lang. Sieht schicker aus und ist auch für Aug und Hirn besser zu verarbeiten.
Um der Idealnorm zu entsprechen, werden etwa komplizierte Silbenränder vermieden: Anstatt Schtrick zu schreiben, ziehen wir das Scht zu St zusammen.
Zusätzlich spielt auch hier das h wieder mit: Das sogenannte silbeninitiale h markiert den Anfang einer Silbe in der Schrift. In der gesprochenen Sprache kommt dieses h nicht vor. Das hat den Grund, dass bei Wörtern wie „sehen“ ansonsten in der Schrift nicht klar wäre, dass es sich um zwei Silben handelt – nach dem phonematischen Prinzip könnte es schließlich auch ein Doppel-e zur Kennzeichnung einer Länge sein (seen).
Um den Rand von Silben geht es manchmal auch bei Doppelkonsonanten. Nicht immer ist eindeutig, ob ein Konsonant zur ersten oder zur zweiten Silbe gehört – z.B. beim Verb kommen. Deshalb wird das m verdoppelt, damit in der Schreibung (und etwa bei der Silbentrennung) jede Silbe ihr eigenes m hat und es zu keinen Missverständnissen kommt. (man spricht hier auch von einem „Silbengelenk“)
Auch die Lautung hat etwas mit den Silben zu tun: Offene Silben sind im Deutschen lang (also Silben, die nicht auf einen Konsonanten, sondern auf einen Vokal enden), Silben mit komplexem Rand (z.B. Strumpf) sind immer kurz. Silben mit einfachem Rand – also nur ein Konsonant am Ende – können kurz oder lang sein. Daher wird hier die Länge markiert, mit Doppelvokal/-konsonant oder h.
Aber auch bei offenen Silben wird markiert, z.B. bei Reh – das hat den Grund, dass im Deutschen Wörter kombiniert werden können. Wenn aus dem Reh ein Rehbraten wird, erkennt man nur noch am h, dass das E lang sein soll.
3. Das morphologische Prinzip
Hier ist die Grundidee: gleiche Morpheme (=Wortstämme im weitesten Sinne) werden gleich geschrieben. Die Schreibung zeigt hier auch den Zusammenhang von Wörtern und Wortformen.
Nach diesem Prinzip kommt es etwa zustande, dass der Plural von Haus Häuser ist (und nicht Heuser) → durch die Schreibung mit äu bleibt die optische Gleichheit mit Haus gewahrt.
Umgekehrt funktioniert es beim Kamm – dieser weist einen Doppelkonsonanten auf, den er nicht bräuchte. Der Doppelkonsonant erklärt sich dadurch, dass das Doppel-m als Slbengelenk im Plural von Kamm dient: Kämme. Und um die Schreibung zu vereinheitlichen, bekommt auch der Singular ein Doppel-m spendiert.
Fazit
Die deutsche Rechtschreibung ist sehr reich an Grundprinzipien (und an Ausnahmen, die den Prinzipien widersprechen) und Schreibvarianten, besonders seit die letzten Rechtschreibreformen allerlei Varianten nebeneinander bestehen lassen. Es gäbe etwa noch viel zu sagen über Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung, Getrennt- und Zusammenschreibung und und und.
Aber wir denken, vorläufig reicht es und wer obige Prinzipien beim Basteln seiner eigenen Sprache aufgreift, stellt das Schriftbild auf alle Fälle auf ein solides Fundament.
Ich bin ja mittlerweile dazu übergegangen, beim basteln ganz eigener Sprachen (die sich also nicht zu 80% anderer Sprachen bedienen + ein paar Verfremdungseffekte) immer in Wortfamilien zu basteln.
Dafür sind die Prinzipien recht gut :)
Das tolle an Wortfamilien ist auch, dass man sich – wenn man erstmal ein paar Wortbildungsregeln erarbeitet hat – gleich haufenweise Vokabeln erstellen kann, wenn man mal ein Wort für etwas festgelegt hat.
Eben… das ist recht praktisch und erleichtert Sprachenbau ungemein.
Der Linguist in mir hat nichts zu meckern – hilfreiche Zusammenfassung, und ich werde mich hüten, jemals eine fremde Sprache zu erfinden, bei der mehr als 3 Wörter hintereinander in einem meiner Texte vorkommen, weil ich mir dann wirklich ernsthafte Gedanken über Grammatik machen müsste. So spaßig das auch ist (ja, ernsthaft, für Linguisten ist das Spaß – ich weiß, wir sind ein merkwürdiges Grüppchen), mir fehlt dafür die Zeit. Für meine 2-Wort-Sätze reicht die Überlegung, ob das Pronomen vor oder nach dem Verb kommt :-)
Danke!
Die Grammatik war es, die auch meine Sprachbasteleien irgendwann zum Erliegen brachte – und je länger sie stockten, desto schwerer fällt es mir, sie wieder in Angriff zu nehmen, weil mir da meine eigene Sprache plötzlich zur Fremdsprache wird….
Hihi – „…weil mir da meine eigene Sprache plötzlich zur Fremdsprache wird …“ das geht manchem deutschen Muttersprachler auch so …
Mangels Zeit nur ganz kurz … super Artikel. Werde ihn mir noch genauer ansehen.
Anilumá – sei gegrüßt mit Herz und Licht!