Unsere Miniserie für die blogeha-Blogparade geht zu Ende – zum ersten Beitrag der Miniserie geht es hier und hier zu unserem Beitrag von letzter Woche.
Wir beschäftigten uns bisher mit seuxellen Minderheiten, Halbriesen, Meermenschen und Zentauren. Im Abschlussbeitrag geht es um Hauselfen, Muggel und, last but not least, dem Verhältnis der Zauberer untereinander.
Hauselfen
Die Sache mit den Hauselfen ist nicht ganz so einfach, wie sie auf den ersten Blick wirkt – denn hier gibt es mehrere Aspekte, die hineinspielen.
Diese Geschöpfe verfügen über eine eigene, recht mächtige Form der Magie: Sie können an Orte apparieren, die für Zauberer nicht auf diese Weise zugänglich sind, Gegenstände schweben lassen und mehr – als Ergebnis jahrhundertelanger Versklavung und Gehirnwäsche durch die magische Gesellschaft können sie diese jedoch nur begrenzt einsetzen, wenn es nicht gerade darum geht, den Willen „ihrer“ Zaubererfamilie zu erfüllen. Das Tragen von Zauberstäben ist ihnen per Gesetz untersagt.
Nur wenige sind so willensstark wie Dobby und in der Lage, sich willentlich den Befehlen zu widersetzen – wobei Dobby trotz seiner Willensstärke dennoch den Drang verspürt, sich für schlechte Äußerungen über die Malfoys zu bestrafen. Hauselfen können jedoch, wenn sie ihre Meister nicht mögen, nach Lücken in den Befehlen ihrer Meister suchen und diese ausnutzen – so hat Kreacher, als Sirius ihn aus der Küche werfen wollte, das Haus verlassen und Sirius an Bellatrix und Narcissa verraten.
Hauselfen in Hogwarts gibt es im Übrigen schon seit der Zeit der vier Gründer – Helga Hufflepuff ist es zu verdanken, dass misshandelte und schlecht behandelte Hauselfen aus ganz Großbritannien in Hogwarts Schutz und Arbeit finden können.
Versklavung – und die Selbstverständlichkeit, mit der die Zaubererwelt diese annimmt, ist ein Teil des Problems um die Diskriminierung der Hauselfen. Ein anderer Teil ist die Herangehensweise von Hermine an das Hauselfenproblem. Hermine versucht nämlich bei ihrem Kreuzzug für die Elfenrechte anfangs nicht, das Wesen der Hauselfen zu verstehen und ihre Mentalität in ihre Befreiungsaktionen mit einzubeziehen.
Sie ist der festen Meinung, dass genau ihre Art von Freiheit auch für die Hauselfen die ideale Form der Freiheit zu sein hat. Statt sich also mit den Freiheitskonzepten und dem Glückskonzept von Hauselfen auseinanderzusetzen, versucht sie auf Gedeih und Verderb, sie zu befreien. Bis hin dazu, dass sie selbstgestrickte Kleidung überall im Gemeinschaftsraum der Gryffindors versteckt. Damit erreicht sie allerdings nur, dass fortan nur noch Dobby sich traut, diesen Raum zu reinigen und zusätzliche Arbeit hat. Die übrigen Hauselfen meiden den Raum, weil sie nicht befreit werden wollen. Für die meisten anderen Hauselfen ist es schließlich eine Schande, von ihrer Familie freigelassen und somit gleichsam verstoßen zu werden.
In gewissem Sinne betreibt Hermine also – wenn auch mit guten Absichten – Kulturimperialismus. Das könnte man beispielsweise mit den Missionsbemühungen der Christen in der Dritten Welt heute und den Missionaren der Vergangenheit vergleichen – ohne darauf einzugehen, wie glücklich oder unglücklich die Bewohner der missionierten Landstriche tatsächlich sind, wurde ihnen auf „Teufel komm raus“ der christliche Glaube samt den christlichen Glücksvorstellungen aufgepropft. Daraus entstanden und entstehen zahlreiche Spannungen nicht zuletzt innerhalb der so zwangsmissionierten Bevölkerung, aber auch faszinierende Mischreligionen und neue Kulturen.
Später begreift Hermine tatsächlich, dass ihr B.Elfe.R-Ansatz nicht der Richtige war und ändert ihre Vorgehensweise während ihrer eigenen Zeit beim Ministerium.
Ja – es ist wichtig, den Hauselfen zu helfen und ihnen mehr persönliche Freiheiten zuzugestehen – aber nicht auf eine Weise, mit der die Hauselfen nichts anfangen können.
Keine frohe Nachbarschaft – Magier und Muggel
Für manche Magier, die besonders auf ihr reines Blut bedacht sind – also beispielsweise die meisten Mitglieder der Familie Black oder die Malfoys – sind Muggel Menschen zweiter Klasse.
In der Regel gehen sich Magier und Muggel aus dem Weg – nicht zuletzt wegen des Gesetzes zur Geheimhaltung der magischen Welt, die es den Welten verbietet, aufeinanderzutreffen. Dennoch muss das Ministerium Gesetze zum Schutz der Muggel erlassen, um zu verhindern, dass besonders radikal eingestellte Zauberer Muggeln zum Spaß verzauberte Gegenstände, Tiere aus magischer Zucht und andere Dinge verkaufen. So erzählt Arthur Weasley von Zauberern, die Muggeln schrumpfende Schlüssel und aggressive Teesets verkaufen. Auch Angriffe auf Muggel wie bei der Quidditchweltmeisterschaft 1994 sind durch Muggelschutzgesetze verboten.
Die feindliche Einstellung rührt nicht nur von den Hexenverfolgungen in der Vergangenheit her – die im Grunde genommen für wahre Hexen und Zauberer nie wirklich gefährlich wurden – sondern auch von schlichtem Unwissen der Zauberer in Bezug auf die Lebenswelt der Muggel. Nicht umsonst gibt es in Hogwarts ein Fach namens Muggelkunde – dennoch sieht man gerade am Verhalten von vermeintlichen Muggelexperten wie Arthur Weasley, dass auch in diesem Unterricht vermutlich viel Unsinn und gefährliches Halbwissen vermittelt wird.
Vom Hass auf Muggel bis zum Hass auf Muggelstämmige ist es nicht weit – Hermine als Kind zweier Muggel ist eine der besten Schülerinnen, die Hogwarts je hatte. Dennoch wird auf sie herabgesehen und Draco Malfoy nimmt sich das Recht heraus, sie zu beschimpfen, wann immer ihm danach ist. Der Hass auf Muggelstämmige erreicht seinen Höhepunkt während der Schreckensherrschaft von Voldemort – das Ministerium behauptet, Muggelstämmige hätten in Wahrheit einem Zauberer oder einer Hexe den Zauberstab gestohlen und werden gejagt und verurteilt. Harry, Ron und Hermine platzen sozusagen bei ihrem Einbruch ins Ministerium in einen solchen Prozess hinein und können die Angeklagte befreien.
Vermutlich liegt hier kodiert auch der Grund vor, aus dem Muggelstämmige bei besonders radikalen Reinblütern so verhasst sind – Reinblüterfamilien versuchen, untereinander zu heiraten, um „das Blut reinzuhalten“. Dass dabei genpoolbedingt vermehrte Probleme auftreten und die Familien darum aussterben, gilt natürlich nicht nur für Zaubererfamilien.
Muggelstämmige bringen hier sozusagen frisches Blut in die Zauberwelt – und reiben unbewusst (und unabsichtlich) den Reinblütern ihr Aussterben und die Notwendigkeit mit Zauberern „vermischten Blutes“ Familien zu gründen, unter die Nase. Als vermeintliche Elite fühlen sie sich von diesen Menschen besonders bedroht und reagieren aggresiv.
Ein Zustand, den man auf sehr viele Bereiche im Leben und in der Geschichte übertragen könnte. Von harmlosen bis hin zum Rassenwahn der Nazis.
Anders sieht es mit sogenannten Halbblütern aus – von einem Großteil der magischen Gesellschaft akzeptiert und völlig normal behandelt, gibt es dennoch Einzelne, für die auch halbblütige Zauberer weniger wert sind als Kinder zweier Zauberer. Die zwei bekanntesten Beispiele sind Snape und Voldemort – beide verbergen vor ihren Freunden (und im Falle von Voldemort Anhängern) ihren Muggelvater, da sie in ihrem angestrebten reinblütigen Freundeskreis sonst ausgeschlossen worden wären.
Hier ist der realweltliche Vergleich zum faschistischen Konzept der „Rassenschande“ nicht abwegig.
Hausangst – Hausstolz
An einer Stelle sagt Hermine offen, dass sie nicht viel von Quidditch hält – denn es bringt den Hass zwischen den Häusern auf ein neues Level und festigt die Rivalität der Häuser, statt für Einigkeit zu sorgen.
Auch die Punktewettbewerbe der Häuser haben einen ähnlichen Effekt – jedes Haus versucht natürlich, die meisten Punkte zu erringen und sich gegen die anderen Häuser durchzusetzen.
Die Häuserrivalität stammt noch aus der Gründerzeit – denn die Häuser entstanden in erster Linie, weil sich die Gründer nicht darauf einigen konnten, wer ein Anrecht auf Unterricht in Hogwarts haben sollte. So erhielt jeder Gründer ein Haus, in das er oder sie die Schüler aufnehmen konnte, die der jeweilige Gründer für besonders geeignet hielt.
Diese Rivalität setzte sich mit den Jahrhunderten fort und vertiefte sich – denn der Sprechende Hut, der nach dem Tod der Gründer die Auswahl übernimmt, sortiert in ihrem Sinne nach den stereotypen Festlegungen von vor 1000 Jahren.
Dadurch vertiefen sich die Unterschiede zwischen den Häusern über die Jahrhunderte – bis die jeweiligen Häuser einen bestimmten Ruf erlangen, der sich auf ihre Schüler auswirkt – ob bewusst oder unbewusst.
Mehrere Szenen illustrieren dies – schon im ersten Band, bei der Begegnung zwischen Harry und Draco, spricht Draco davon, dass in „Hufflepuff“ sozusagen nur Luschen wären und er auf keinen Fall in diesem Haus landen möchte. Statt dessen möchte er in das Haus seiner Vorfahren – nach Slytherin. Hinter seiner arroganten Haltung steckt eine Unsicherheit – es ist nicht nur so, dass Draco nach Slytherin möchte – es ist auch schwer abzusehen, was ihn zu Hause oder in der Post erwartet hätte, wenn er die Familienerwartungen nicht erfüllt und in ein anderes Haus einsortiert worden wäre. Wie hätte sein Vater reagiert? Wie die reinblütigen Kinder, mit denen er vielleicht aufgewachsen ist? Hätten sie ihn gemobbt, wenn er ein Hufflepuff geworden wäre? So wurde es für Draco zu einer Notwendigkeit, in das Haus mit dem richtigen Ruf einsortiert zu werden.
Hagrid erzählt Harry die andere Seite der Häuserdebatte – unter den Nicht-Reinblütern, liberalen Zauberern und für viele andere Zauberer ist nicht Hufflepuff, sondern Slytherin das Haus mit dem Stigma – denn es ist das Haus, in dem Voldemort in seiner Schulzeit gewesen ist und aus dem angeblich die meisten „bösen“ Zauberer stammten. Nicht zuletzt, weil Slytherin einen so schlechten Ruf hat, möchte Harry nicht in dieses Haus einsortiert werden und bittet den Sprechenden Hut darum, woanders unterzukommen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Harry nichts über Hogwarts oder die Häuser – er ist neu in der Zaubererwelt – doch er wurde bereits durch den Ruf der Häuser und deren Auswirkungen auf den eigenen Ruf und ein soziales Leben so weit beeinflusst, dass er als Unbeteiligter ein Haus samt dessen Schülern nicht leiden kann.
Nicht umsonst lässt Rowling die Reihe mit einer Szene enden, in der Albus Severus von seinem Vater wissen möchte, ob er auch dann noch von ihm geliebt und akzeptiert wird, wenn er nach Slytherin geschickt wird. Und Harry zeigt, dass er innerhalb von sieben Bänden die Lektion zum Thema „Häuser in Hogwarts“ gelernt hat.
Fazit
„Harry Potter“ – eine Allegorie auf die Toleranz, die Freundlichkeit und den Respekt, den man seinen Mitmenschen schuldig ist, egal welcher Nationalität, Konfession oder sonstiger Untergruppe der Mitmensch auch angehört.
Wichtige Botschaften des Miteinanders sollten Kinder idealerweise schon sehr früh lernen, doch auch erwachsene Menschen können durch Bücher, in denen das richtige Verhalten vorgelebt und falsches Verhalten angeprangert wird, zu besseren Menschen werden.
Von den zahlreichen Welten, die gebaut wurden, ist die Potterwelt eine der am Stärksten schon in ihren Grundanlagen mit Moral durchsetzten Welten.
Kennt ihr andere Welten, ob Bücher, Filme, Comics oder Videospiele, in denen gegen Hass und für Toleranz gekämpft wird?
Pingback: [Blogparade] Blogs gegen Hass - Sarah Marias Blog
Terry Pratchett greift das Thema gelegentlich auf. Englische Titel wären beispielsweise „Jingo“, „The Fifth Elephant“, „Feet of Clay“, „Men at Arms“, „Thud!“ und „Snuff“. Die vielen „Rassen“ der Scheibenwelt (nicht abschließend Menschen, Zwerge, Trolle, Gnome und Untote jeweils veschiedener Kulturen, sowie Golems) sind sich selten grün, und bieten daher viel Platz, die diversen Vorurteile und Probleme der Rundwelt auf die Schippe zu nehmen.
Ich sollte endlich dazu kommen, mehr Scheibenwelt-Romane zu lesen… da entgeht mir so viel, fürchte ich.
Kaum ein Thema, das wir hier behandeln, bei dem es nicht einen oder fünf passende Romane von ihm gäbe :D
Diese Reihe war einfach großartig <3 So tolle Beispiele, wie JK Rowling immer wieder Paralleln zur realen Welt zieht und so für Toleranz und ein friedliches Miteinander wirbt. Ich kann gar nichts mehr hinzufügen, außer ein riesengroßes Lob :)
Danke, danke, danke! :D
Deine Reihe ist wirklich großartig! :)
Ganz besonders spannend finde ich, was du über die Hauselfen, Hermine und den Kulturimperialismus schreibst. Ich weiß noch, dass ich beim Lesen öfter mal gedacht habe: Aaach, es könnte alles doch so einfach sein! – Aber das ist es nun ja eben nicht, wenn man aneinander vorbei „optimiert“.
Danke dir und liebe Grüße,
Sarah
Danke :D
Aneinander vorbei optimieren trifft es ganz gut – man löst jahrhundertelange Gehirnwäsche nicht mit einem einfachen „Von heute an ist alles anders“ aus, das muss behutsamer gehen.
Gern geschrieben!
LG,
Evanesca
Pingback: [Blogparade] Blogs gegen Hass - alle Beiträge - Sarah Marias Blog
In der Mass Effect Reihe ist man je nach dem wie man spielt eigentlich ständig damit beschäftigt für Toleranz unter den Völkern der Galaxie zu werben und gegen Rassismus und Faschismus vorzugehen man kann dort jedoch auch all dieses ausleben eine nicht nur in den Video spielen sondern auch den Büchern hochinteressante welt
Ah, danke für die interessante Anmerkung – „Mass Effect“ habe ich mir bisher noch gar nicht angeschaut, aber unter dem von dir genannten Hintergrund klingt es eigentlich recht reizvoll (auch wenn ich aus Zeitgründen eher die Bücher als die Spiele anschauen werde vermutlich – ich habe schon vergessen, wann ich das letzte Mal etwas lange und ausdauernd gespielt habe…)
Die Bücher sind halt eher beiwerk die Hauptstory findet im Spiel statt und ich kann verstehen wenn man nicht soviel zeit zum spielen hat das Spiel ist echt zeitraubend. Es gibt bei YouTube jedoch sowohl gute Zusammenfassungen der drei Teile als auch die Videos aus der Story so das man das wichtigste der Story auch ohne spielen erfahren kann
Wollte euch beiden aber noch Danke sagen für den echt Guten Blog hier er ist sehr interessant und wird mir sicher helfen, wenn ich mal wieder zeit habe um an meiner Welt weiterzubauen und irgendwann mal meine Ideen in Buchform packen möchte.
Pingback: ABC gegen Hass – #BloGeHa – Blogparade
Pingback: Ein ABC gegen Hass - #BloGeHa - Blogparade