Fallstudie: Zauberschulen I – Ods Zauberschule in Patricia McKillips „Der Zaubergärtner“

Zauberschulen haben ein Problem – seit „Harry Potter“ allgemein bekannt und berühmt ist, muss sich jede fiktive Zauberschule in irgendeiner Weise mit Hogwarts vergleichen lassen. Zwei Schwierigkeiten stellen sich jedem Autor, der eine Zauberschule bastelt:
Zum Einen ist Hogwarts so großartig – zumindest sehen wir zwei das so – dass es schlicht schwer ist, dort heranzukommen. Zum anderen aber denkt sofort jeder beim Wort „Zauberschule“ an den berühmtesten Zauberlehrling der Welt.
Das Problem ist, dass es nun einmal Dinge gibt, die alle Schulen – und somit  Zauberschulen – gemeinsam haben dürften. Es gibt Schulklassen, die nach irgendeinem System sortiert werden, sobald man mehr als eine Klasse pro Jahrgang hat. Es gibt Noten, es gibt Lehrer, es gibt irgendeine Art von Prüfungen und natürlich gibt es Schulstoff.
Wie also für die eigene Welt eine Zauberschule schaffen, die weder neben Hogwarts verblasst noch wie ein billiger Abklatsch davon wirkt?
Vor diesem Hintergrund beginnen wir unsere neue Serie über Zauberschulen ganz bewusst nicht mit Hogwarts, auch wenn wir uns diese besondere Schule auf alle Fälle vornehmen werden, sondern mit Ods Zauberschule in Kelior aus Patricia McKillips „Der Zaubergärtner“.

Schulgeschichte und Gegenwart

Od gründete ihre Zauberschule in Kelior, der Hauptstadt des Staates Numis.
Nachdem Od Kelior in einem Krieg vor der Zerstörung bewahrte, erlaubte der damalige König Ishan der geheimnisvollen Riesin Od, eine Zauberschule in seiner Hauptstadt zu gründen.
Ursprünglich befand sich diese Schule in einem im Krieg verlassenen Schusterladen – über der Tür hängt bis heute ein Schild mit einem Schuh. Allerdings ist diese ursprüngliche Tür zur Zauberschule nur für besonders begabte Schüler sichtbar – und Jahrhunderte später, in der Gegenwart, gehen nur noch Wenige durch die sprichwörtliche Tür des Flickschusters. Die Meisten kommen durch den Haupteingang, sind Kinder wichtiger Leute und zahlen Schulgeld.
Die Schule befindet sich mittlerweile direkt am Königspalast und beinhaltet eine Menagerie, die Schulbibliothek, ein Labyrinth im Keller, einige Unterreichtsräume, Küche und Speisesaal. Und natürlich die Gärten, für die der namensgebende Zaubergärtner benötigt wird.
Makrokosmos und Mikrokosmos

Die Situation an Ods einst liberaler Zauberschule spiegelt die Situation in der Gesellschaft in Numis – alle Magier stehen unter königlicher Aufsicht und welche Form der Magie gelehrt und ausgeübt werden darf, steht unter strikter Aufsicht.
Unerlaubte Magie kann von den zuständigen Behörden wahrgenommen und nachverfolgt werden, die Strafen sind drakonisch.
Schon kleinste Regelverstöße führen in der Schule zum Ausschluss – im Makrokosmos der Stadt zur Verhaftung.
Nur an der Zauberschule darf Magie gelehrt werden – es ist also auch einem ausgebildeten Magier verboten, dem eigenen Kind mal eben ein wenig Magie schon im Vorfeld beizubringen. Schließlich kann der Staat dann nicht kontrollieren, ob zusammen mit den magischen Fähigkeiten auch die akkurate Version der Geschichte und Ideologie von Numis vermittelt wird.
Dazu passt, dass es Magierschülern verboten ist, das sogenannte nachtaktive Zwielicht-Viertel zu betreten. In der Vergangenheit führten Gerüchte über wilde Magie beinahe zur Revolte in diesem Teil der Stadt – entsprechend könnte ein Aufenthalt dort die jungen Zauberschüler daran hindern, treue Diener des Regimes zu werden. Zu wild, zu bunt und kreativ ist das, was dort vor sich geht.
In anderen Ländern ebenso wie in anderen Zauberschulen geht es wesentlich liberaler zu – ein Grund für die selbst sehr freiheitsliebende Od, ihre eigene Zauberschule zwei Jahrhunderte lang nicht zu betreten. Denn wahre Magier streben in Ods Augen nach Wissen, nicht nach Macht.

Das Labyrinth

Die Gegenwart der ungewohnten Magie in der Zauberschule bleibt nicht wirkungslos auf die Schüler. Oft haben die Schüler in ihrer ersten Nacht an der Schule Alpträume, entwickeln bisher unbekannte neue Fähigkeiten oder verlaufen sich im Labyrinth.
Beim Labyrinth handelt es sich um ein Steinkonstrukt, das eigentlich recht einfach angelegt zu sein scheint – doch wessen Gedanken nicht klar sind, der verläuft sich früher oder später und kommt erst raus, wenn die Gedanken wieder geklärt sind und man das Problem lösen konnte, das ins Labyrinth trieb.
Doch das Labyrinth hat auch einen zweiten, weitaus geheimnisvolleren Zweck, der im Laufe des Romans zum Tragen kommt.

Fazit

Eine Zauberschule kann vielen Dingen dienen – sei es, eine tolle Kulisse zu bilden oder, wie in diesem Roman, zu einer Verstärkung der gesellschaftskritischen Aussage im Roman zu führen.
Der magische Überwachungsstaat Numis hält unserer Gesellschaft einen Spiegel vor – in Form der Stadt Numis und Ods Zauberschule gleich doppelt. Diese Effekte verstärken sich im Laufe der Handlung gegenseitig und führen zu spannenden Wendungen.

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Über Katherina Ushachov

Lektoriert, liest alpha, beta, gamma und omega. Administriert Foren, entdeckt beim Schreiben und schafft dabei Trilogien in neun Bänden. Dichtet.
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