Der Römer Plinius der Ältere ist nicht nur das prominenteste Opfer des Vesuvausbruchs im Jahre 79 n. Chr., bei dem Pompeji verschüttet wurde, sondern er tat sich auch als Fachschriftsteller hervor, wobei es Sammelschriftsteller viel besser treffen würde: In den 37 Bänden seiner Naturalis historia („Naturgeschichte“) gibt es kaum einen Themenbereich, dem er sich nicht widmet. Von Astronomie über Gartenbau, Medizin bis hin zu Flora und Fauna ist so gut wie alles dabei.
So berichtet uns Plinius im 8. Buch der Naturalis historia auch ausgiebigst über Wölfe, wobei er auch auf einige wunderliche Geschichten zu sprechen kommt …
Besondere Eigenschaften von Wölfen im damaligen Denken
Die Eigenschaften von Wölfen sind laut Plinius von ihrem Ursprungsort abhängig: So findet man etwa in den warmen, südlichen Gegenden wie Afrika oder Ägypten kleine, scheue Tiere, während die Wölfe in den kälteren und grimmigeren Gegenden des Nordens ebenso härter, wilder und grimmiger sind. Zur Paarung sind Wölfe weniger als zwölf Tage im Jahr bereit. Wenn sie hungrig sind, fressen sie auch Erde.
Nach Plinius glaubte man zur damaligen Zeit in Italien, dass bereits der Blick von Wölfen für den Menschen schädlich sei: Menschen, auf die der Blick eines Wolfes fällt, werden für den Augenblick ihrer Stimme beraubt.
Aber auch positivere Eigenschaften sind mit Wölfen verbunden: So glaubte das Volk damals, dass in einem Haar am Schweif des Wolfes ein Liebesmittel verborgen ist. Sobald der Wolf gefangen wird, wird dieses winzige Haar abgeworfen. Allerdings ist das Mittel nur wirksam, wenn er von einem noch lebenden Tier gewonnen wird. Wer in Liebesdingen Hilfe brauchte, musste sich also nur ohne Stimme einen lebendigen Wolf fangen …
Zudem wurde es als gutes Omen angesehen, wenn rechts von Reisenden ein Wolf mit vollem Maul einherging.
„Pelzwechsler“ in Griechenland
Zwar weist Plinius selbst diese Berichte von antiken Werwölfen eindeutig als einfältige Lügen aus, interessant sind seine Berichte von zwei antiken Werwölfen aber dennoch.
So soll etwa in Arkadien, einer Gegend in Griechenland, aus dem Geschlecht des Anthus per Los ein Mitglied der Familie ermittelt worden sein. Dieser wurde daraufhin zu einem See in dieser Region geführt. Dort hat er seine Kleider ausgezogen und an eine Eiche gehängt, ehe er in den See sprang und ihn durchschwamm. Wenn er am anderen Ufer dem Wasser entstieg, wurde er in einen Wolf verwandelt und verlebte als solcher neun Jahre in der Wildnis mit anderen Wölfen zusammen. Falls er sich in dieser Zeit von den Menschen fernhielt, konnte er nach neun Jahren zurückkehren und als Wolf den See erneut durchschwimmen. Am Ufer soll er seine frühere Gestalt als Mensch wieder erhalten, seine damals aufgehängten Kleider wieder angelegt und fortan erneut als Mensch gelebt haben. Plinius fügt aber hinzu, dass seine alte Gestalt um neun Jahre gealtert sei. Das Leben als Wolf hinterließ also seine Spuren.
Um einiges grausiger ist die Geschichte des Demaenetus aus Parrhasien: Als die Arkadier dem Jupiter Lycaeus ein Menschenopfer darbrachten, soll Demaenetus von den Eingeweiden eines geopferten Knaben gekostet und sich daraufhin in einen Wolf verwandelt haben. Zehn Jahre lebte er als Wolf, ehe er sich zurück in einen Menschen verwandelte, Athlet wurde und sich im Faustkampf übte. Als Faustkämpfer habe er dann bei den olympischen Spielen gesiegt.
Ob das an wölfischer Kampferfahrung lag?
Antike Werwölfe! Da sieht man mal wieder, dass so ziemlich jede Geschichte schon mal erzählt wurde. Schöner Artikel!
Schöner Post! :) Ich liebe das, wenn jemand in antiker Mythologie wühlt, da gibt es so viel, das z.T. deutlich interessantere Varianten als die gängigen Werwolf- oder Vampirmotive liefert. (Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es z.B. auch um Hekuba/Hekabe, die Frau von Priamos von Troja, eine Art Werwolflegende bzw. im Bezug auf Vampire gibt es da ja noch die Lamien.) Dass sich Berichte über diese Legenden bei Plinius finden, wusste ich bisher gar nicht, ist aber natürlich sehr cool!
Wie gesagt: Mal wieder ein interessanter Post :)
Danke für den Hinweis auf die Lamien, jetzt hab ich wieder was gelernt! :-)
Bei Hekuba/Hekabe ist es kein Wolf, sondern eine Hündin, wenn ich mich richtig erinnere. Sie kratzt Polymestor, der ihren Sohn Polydoros getötet hat, die Augen aus und verwandelt sich während rasend in eine Hündin. Wäre beispielsweise nachlesbar bei Ovid, Metamorphosen, 13. Buch, Verse 439-575.
Eine Verwandlung in einen Wolf gibt es bei Ovid auch, gleich im 1. Buch der Metamorphosen, Verse 209-239: Dort wird Lycaon, der versuchte Jupiter zu töten, in einen Wolf verwandelt.
Aber für den Artikel wollte ich mich auf Plinius beschränken. Freut mich, dass er dir gefallen hat :-)
Ah, das mit dem Hund bei Hekube hatte ich jetzt nicht mehr im Kopf bzw. die Geschichte Lycaon hab ich glaube ich auch schonmal gelesen (ich hab mal ne Weile für die Lateinnachhilfe Übungstexte verwendet, die Ovid nacherzählt haben^^), aber verdrängt. Hach, da gibt es so viel Spannendes :D (Fänd’s cool, wenn da noch mehr Posts in diesem Stil kommen würden^^ Sowas ist schließlich obercooles Inspirationsmaterial :D) Ich mein, schon allein der Plinius gibt ja einiges Interessantes her :)
Ja, Plinius ist eine wahre Fundgrube – es gibt ja kaum ein Themengebiet, das er in seiner Naturalis Historia nicht behandelt hat ^^
Es wird auf alle Fälle immer mal wieder Artikel in dieser Richtung geben, die auch Vorlagen aus der Antike aufarbeiten. Wir versuchen ja, möglichst breit gestreut zu sein und uns nicht nur auf Autoren der Gegenwart zu konzentrieren :-)
*Hekuba (Wer schneller tippt als denkt, ist klar im Nachteil ;))
Danke für den Artikel: Lauter Sachen, die ich noch nicht wusste. Wobei mich das mit dem einen einzigen Haar für die Liebe am Wolfsschwanz irgendwie am meisten fasziniert, obwohl ich mich gleichzeitig am Kopf kratze, weil ich es so seltsam finde.