Balancing zwischen Weltenbau und Engine
für digitale (oft narrative) Spiele
Weltenbau ist natürlich und vor allem in der Gamesbranche ein Thema. Denn für ein gutes Spiel benötigt man eine virtuelle Welt, also „(…) eine künstlich erzeugte, aus sich selbst heraus funktionierende Totalität, die ganz offenkundig nicht die uns umgebende ist, dennoch aber wie eine real existierende wirkt und/oder funktioniert“. [Wal10:4] Diese Definition ist aus einem Vortrag unseres damaligen Dozenten Wolfgang Walk und soll an dieser Stelle helfen, die Begrifflichkeiten vorher sauber zu definieren.
Wir haben also nun eine aus sich heraus funktionierende Totalität und benötigen ein Tool, um diese auch digital abzubilden. Sie irgendwie darzustellen.
Wie macht man das am Besten?
Was gilt es zu beachten und auf welche Grenzen stößt man? Vor allem in der Gamesindustrie?(1)
Die Autorin und Grafikerin Herr LyDmann (www.herrlydmann.com) hat hierzu einen Gastartikel für uns geschrieben. In fünf harten und inspirierenden Jahren hat sie ihren Master in Gamedesign absolviert und dabei auch Projekte geleitet, in denen Welten in Gruppenarbeit erstellt wurden. Nebenbei schreibt sie gerade an der Umsetzung des Praxisteils ihrer Masterarbeit „Liebe in digitalen Spielen“ in Form eines Romanprojekts „Liebe in allen Facetten“. Auf ihrem Blog (http://www.herrlydmann.com/blog/) gibt sie dazu regelmäßig Updates.
Welten und ihre glaubhafte Darstellung
Dieses Thema ist sehr umfangreich und da ich euch nicht unnötig mit Vorgeplänkel langweilen sollte, möchte ich mich innerhalb dieses Artikels zunächst auf zwei Bereiche konzentrieren: den bildlichen und in Verbindung damit den gamedesigntechnischen. Jegliche andere Elemente die Einfluss auf die Erstellung einer Welt haben, muss ich hier erst einmal außen vor lassen, da es sonst etwas umfangreich für einen einzelnen Artikel werden würde.
Zunächst benötigt man, wie erwähnt, ein Tool um die Welt digital abzubilden. Dieses ist zumeist eine Engine in der man entsprechende Grafiken, Texturen, 3D Modelle, Animationen, Soundeffekte usw. einspielt.
Laut Wikipedia versteht man unter einer Engine:
„Eine Spiel-Engine (…) ist ein spezielles Framework für Computerspiele, die den Spielverlauf steuert und für die visuelle Darstellung des Spieleablaufes verantwortlich ist. In der Regel werden derartige Plattformen auch als Entwicklungsumgebung genutzt (…).” [Wik16]
Daten. Daten. Daten
In der Engine ist nun also alles drinnen, was wir brauchen. Und das ist beispielsweise für ein Open World Game echt viel. Alleine ein einzelner Charakter besteht aus: Texturen, Animationen, dem grundlegenden Gamemesh in verschiedenen High- und Lowpoly Abstufungen, Soundeffekten, Voice-overs, Dialosequenzen, etc. All das hat natürlich seine Datengröße. Umso besser jedes einzelne Datendetail in seiner Ausführung ist, umso schöner und besser sieht er aus. (2) Umgedreht: wer einen lahmen Rechner hat, muss natürlich die Qualität runterschrauben und die Charaktere werden immer eckiger. Das liegt daran, dass die Anzahl der Polys (3) im Gamemesh(4)runtergeschraubt wird. Das gilt gleich für alle Objekte in der Welt sowie ihre Darstellung und sie sehen dementsprechend immer beschissener aus. Wobei ich an dieser Stelle kurz die Frage aufwerfen möchte, ob eine hochauflösende Grafik wirklich die Involvierung in ein Spiel so dermaßen erhöht wie beispielsweise der Flow Zustand (5) und ob ihr nicht immer viel zu viel Aufmerksamkeit zu teil wird.
Bisher werden die Engines und Rechner immer besser und besser. Lara sieht großartig aus, die Welten werden größer und glaubwürdiger, auch aufgrund verbesserter Rechenleistungen. Trotzdem gibt es immer noch bestimmte Grenzen, die ein Spiele-Entwickler nun mal setzen muss aus bestimmten Gründen:
Budget. Zeit. Spielregeln.
Natürlich müssen Menschen das alles in 3D bauen. Die wollen Geld. Viele Spieleschmieden bekommen nur eine bestimmte Investitionssumme um ihr Spiel in einer bestimmten Zeit zu bauen. Ergo: Irgendwann fehlen einfach die Ressourcen um alles noch größer und umfangreicher zu bauen.
Außerdem: wie viele Spieler bereisen gerne die Wüste der roten Skorpione für 3h um endlich zum Questgeber zu gelangen? Ehrlich: es sind nicht viele. Natürlich gibt es hier ein paar Hardcore Gamer die das wichtig finden, die breite Masse, für die ein Spiel jedoch meistens konzipiert ist, eher nicht. Ein Spiel soll ja zumeist nicht die hundertprozentige Realität abbilden. Deswegen ist es ja ein Spiel. Natürlich muss es halbwegs glaubhaft sein, aber in einem Rahmen den wir in den Regeln der Welt glauben können und auf die wir uns freiwillig und für eine gewisse Zeit hineinbegeben sowie einlassen.
Das alles begründet sich dann in solchen Phänomenen wie beispielsweise unsichtbare Decken auf den höchsten Bergen der Welt oder kaputtbare Fässer in Tavernen die pausenlos Gold enthalten. Logisch ist das nicht. Es ist aber zu diesem Zeitpunkt eine Begrenzung oder Anpassung der Welt, die der Spieleentwickler aufgrund von Budget, Zeit und Spielregeln irgendwann machen muss.
Lösungen
Ich glaube, sollte es irgendwann von jedem Objekt der Realität ein entsprechendes, tolles Highpolymodell geben, auf das alle in einer riesigen Open-Source Datenbank kostenfrei zugreifen können (und sie dann auch entsprechend des Stils des Spiels durch Shading, Filter etc. anpassen dürfen), dann wäre das Problem der Contentproduktion zumindest teilweise gelöst.
Das andere Problem, dass der (manchmal) seltsamen Regeln in Spiele-Welten ist wiederum viel schwieriger zu lösen. Hier muss man klar trennen was dem Spiel gut tut und was vergebene Liebesmüh ist. Dazu ein Beispiel:
Tut es etwas für das Spiel, wenn ich das Finden von Gold auf eine unmöglich hohe prozentige Anzahl setze oder wenn ich es in Fässern verstecke? Tut es etwas für das Spiel, wenn ich Fallschaden(6) einbaue, um die Glaubwürdigkeit der physikalischen Regeln des Spiels zu erhöhen?
Fazit:
Ziel des Gamedesigns ist es nicht unbedingt realitätsnahe Settings zu erschaffen, sondern Settings die, die Regeln des Spiels glaubwürdig machen und vor allem eins auslösen:
Spaß. Spaß wird erzeugt, wenn die Linie zwischen Herausforderung und Lernen gleichbleibend steigt. Wenn ich also auf Level 01 acht Tage brauche, um zehn heilige Pflanzen der Göttin xy im Wald zu finden, dann ist das Frustrationslevel extrem hoch. Wenn ich sie aber auf Level 01 schneller finde und später vielleicht weniger antreffe (weil ich die Region wechsele oder dergleichen), dann tut das meiner Motivation keinen Abbruch.
Die Welt sollte also dem Spiel dienlich sein und nicht zwingend möglichst realitätsnah sein, da dies den Spaß eines Spiels vermutlich mindern würde.
Literaturverweise
[Wal10]: Walk, Wolfgang (2010). Theoretische Aspekte virtueller Welten. Vortrag an der Mediadesign Hochschule Berlin.
[Wik16]: WIKIPEDIA: Wikipedia – die freie Enzyklopädie. Website (Stand 28.01.2016). http://de.wikipedia.de. Version: 2016
Anmerkungen
(1): Für die Filmbranche gelten nochmal ganz andere Regeln.
(2): Interessant an dieser Stelle ist der Uncanny Valley Effect. Dieser besagt, dass je menschenähnlicher etwas wird, umso unheimlicher finden wir das. Ein Effekt den Masahiro Mori entdeckte du über den ich auch mal eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben habe (http://www.herrlydmann.com/portfolio/zus%C3%A4tzliches/wissenschaftliche-arbeiten/)
(3): Polygone sind Vielecke und Grundlage zum Erstellen von 3D Figuren.
(4): Ein Gamemesh ist das grundlegende 3D Modell auf dem die Texturen wie Normal-, Diffuse- oder Specularmaps liegen.
(5) Das es in Divine Divinity 2 keinen Fallschaden gibt ist für mich SEHR SCHWER ertragbar gewesen.
Hat euch der Gastartikel gefallen? Besucht die Autorin auf ihrem Blog und erzählt ihr davon! Was sind eure High- und Lowlights in Bezug auf Weltenbau und Realismus in Videospielen?
Einige interessante Überlegungen, aber da ich nur schreibe und nicht vorhabe, Games zu designen, finde ich vor allem die Erinnerung an Fallschäden und überhaupt an Konsequenzen riskanten Verhaltens äußerst angebracht.
Freu mich das wir da einer Meinung sind :)